Neues Konzept für den Umgang mit sexualisierter Gewalt und geistlichem Missbrauch im Bistum Osnabrück

Bischof Dr. Franz-Josef Bode

Fünf Handlungsfelder umfasst das Konzept, was der Osnabrücker Bischof Bode heute der Öffentlichkeit vorstellte:

  • die Prävention,
  • die Intervention,
  • die Hilfe für Betroffene,
  • den Umgang mit Beschuldigten und
  • die Sanktionierung von Tätern sowie
  • die Klärung systemischer Grundsatzfragen.
Die Grafik zeigt Elemente des neuen Konzepts, das nun im Bistum Osnabrück in Zukunft beim Thema Missbrauch Anwendung findet. Es soll um Prävention, Intervention und um die Betroffenen gehen. Grafik: Bistum Osnabrück

Offenener Brief des Osnabrücker Bischofs Franz-Josef Bode, mit der er auf die von der Deutschen Bischofskonferenz im vergangenen Jahr veröffentlichte Studie zum Missbrauch in der katholischen Kirche, aber auch auf die im Bistum Osnabrück zutage getretenen Fälle, reagiert. Hier im Wortlaut: 

DER BISCHOF VON OSNABRÜCK

Osnabrück, im Februar 2019

Liebe Schwestern und Brüder,
liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, liebe Mitchristen,

seit geraumer Zeit erschüttert uns die Erkenntnis, dass es in der Vergangenheit immer wieder zu sexuellem Missbrauch Minderjähriger durch Priester und andere Geistliche unserer Kirche gekommen ist. Zuletzt haben eine von der Deutschen Bischofskonferenz in Auftrag gegebene Studie, aber auch in unserem Bistum zutage getretene Fälle das erschreckende Ausmaß und die grausamen Folgen der Taten vor Augen geführt. Uns bewegt die Frage nach den Ursachen, auch nach der Schuld nicht nur der Täter, sondern auch des Systems Kirche und seiner Verantwortungsträger. Ich frage mich selbst: Wo habe ich als Bischof nicht richtig hingesehen? Und ich muss eingestehen, manche Situation falsch eingeschätzt und schlechte Entscheidungen getroffen zu haben.

Die Fehler der Vergangenheit und die Mängel des Systems müssen genau geprüft und benannt werden, um wichtige Konsequenzen für die Zukunft zu ziehen. Dieser Aufgabe stelle ich mich als Bischof und stellt sich das Bistum Osnabrück. Als einen wichtigen Schritt im Rahmen dieser Bemühungen möchte ich Ihnen heute unser ab sofort greifendes Konzept für den Umgang mit sexualisierter Gewalt und geistlichem Missbrauch im Bistum Osnabrück vorstellen.

Das Konzept umfasst fünf Handlungsfelder: die Prävention, die Intervention, die Hilfe für Betroffene, den Umgang mit Beschuldigten und die Sanktionierung von Tätern sowie die Klärung systemischer Grundsatzfragen. Für jedes dieser Felder richten wir Arbeitsgruppen ein, in denen neben unseren eigenen Fachleuten immer auch unabhängige externe Experten mitwirken. Damit wollen wir künftig in jedem Fall verhindern, dass Einschätzungen und Entscheidungen allein schon durch die Beschränkung auf die Binnensicht, vielleicht sogar durch falsche Rücksichtnahmen oder Abhängigkeiten korrumpiert werden können.

Im Bereich der Missbrauchsprävention haben wir schon in den vergangenen Jahren vieles in die Wege geleitet, etwa durch die Berufung eines Präventionsbeauftragten, durch neue Leitlinien und Gesetze und zahlreiche Schulungen. Diesen Bereich werden wir künftig personell verstärken, inhaltlich weiterentwickeln und die Umsetzung der Maßnahmen stärker kontrollieren.

Für die Intervention bei Bekanntwerden von Missbrauchsvorwürfen gibt es ebenfalls bereits etablierte Verfahren, die wir künftig jedoch klarer systematisieren und auch von außen stärker kontrollieren lassen. Seit vielen Jahren haben wir mit den externen Ansprechpersonen für Betroffene von sexuellem Missbrauch eine wichtige Instanz, durch die gewährleistet ist, dass kein Vorwurf intern vertuscht und jeder Fall auch an die zuständigen staatlichen Behörden weitergegeben wird.

Wir werden künftig zusätzlich Ansprechpersonen für Betroffene von geistlichem Missbrauch benennen. Auch diese Form von Machtmissbrauch in der Kirche kann für die Betroffenen schwerwiegende Folgen haben und muss von uns stärker in den Blick genommen werden. Daneben werden wir im Bereich der Intervention auch zusätzliche Hilfen für irritierte Systeme anbieten: Wir sehen, wie stark etwa das Umfeld einer Kirchengemeinde, in der ein Täter gewirkt hat, betroffen ist und Unterstützung benötigt.

Zudem müssen wir unsere Verantwortung für die Betroffenen von Missbrauch noch stärker in den Blick nehmen. Welche Hilfen können wir dem Einzelnen oder der Einzelnen zukommen lassen? Es geht den Betroffenen häufig nicht in erster Linie um eine finanzielle Anerkennung des erlittenen Leids, wie wir sie bereits seit einigen Jahren vorsehen. Den Bedürfnissen nach individueller Begleitung etwa durch nach- haltige Gesprächs- oder Therapieangebote – auch durch kirchenexterne Fachleute – müssen wir noch besser begegnen.

Die Sanktionierung und Kontrolle von Tätern und der Umgang mit Beschuldigten ist eine weitere wichtige und bleibende Herausforderung. Auch hier werden wir uns künftig in jedem Einzelfall der Beratung und Expertise externer Fachleute vergewissern. Als Bischof möchte ich sicher gehen, keine Entscheidung etwa über den weiteren Einsatz einer beschuldigten Person oder über den Verbleib eines Täters nach Abbüßen seiner staats- oder kirchenrechtlichen Strafe ohne einen wirklich kritischen und unabhängigen Blick von außen zu treten. Auch bei der Frage nach dem Umgang mit Tätern muss der Opferschutz oberste Priorität haben. Das Votum der Expertengruppe wird für mich in jedem Einzelfall eine bindende Wirkung haben.

Schließlich wollen wir uns künftig stärker noch als bisher den systemischen Grundsatzfragen stellen, die auch von der oben erwähnten Studie der Deutschen Bischofskonferenz aufgeworfen wurden. Welche Rolle etwa spielt eine zu enge Sexualmoral in der Kirche, welche der Umgang mit Macht und Hierarchie, welche das Miteinander von Frauen und Männern, wenn es um die Frage nach dem systemischen Nährboden für den Missbrauch geht? Was können und müssen wir künftig ändern? Solche Fragen sind für die Zukunft unserer Kirche elementar, davon bin ichüberzeugt. Vermutlich werden wir nicht auf alles abschließende Antworten finden,wahrscheinlich auch nicht immer Lösungen, die wir hier vor Ort direkt umsetzen können. Aber was wir tun können, das werden wir tun.

Die Arbeitsgruppen für die verschiedenen Handlungsfelder sollen weitgehend selbständig, aber auch in Kooperation und gegenseitiger Transparenz agieren. Um das zu gewährleisten, wird eine ebenfalls mit externen Fachleuten besetzte Monitoring- Gruppe die Steuerung und Kontrolle des gesamten Systems übernehmen. Ich wünsche mir, dass etwa nächstes Jahr um diese Zeit die Leitung dieser Gruppe zusam- men mit mir über die in allen Handlungsfeldern geleistete Arbeit und die erreichten Fortschritte in unserem Umgang mit sexualisierter Gewalt und geistlichem Missbrauch berichten kann.

Liebe Schwestern und Brüder, bitte begleiten auch Sie diesen Weg durch Ihr Gebet und gestalten auch Sie ihn mit: durch Ihren eigenen kritischen Blick und tatkräftiges Handeln, wo Sie auf Missstände in unserer Kirche aufmerksam werden.

Mit besten Grüßen

Bischof Dr. Franz-Josef Bode

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