Igel gefunden – was nun?

Text von Maja Langsdorff, Pro Igel e.V.

Woran man erkennt, ob ein Igel Hilfe braucht und was zu tun ist?

Igel sind ein Symbol des Herbstes: Sobald das Laub fällt, die Tage kürzer werden und die Temperaturen zu sinken beginnen, begegnen sie einem als Dekoration auf Schritt und Tritt, sei es in Schaufenstern und als Türschmuck, aus Keramik, Metall, Holz, Glas und Filz, als Mobile, auf Servietten gedruckt, auf Porzellan und Kerzen gemalt.

Igel, Teil der Herbstdekoration

Aber so präsent das Motiv des Igels im Herbst ist, so groß ist die Verunsicherung bei Tierfreunden, wenn ihnen jetzt ein lebendiger Igel begegnet. Nicht selten werden die Tiere wahllos eingesammelt, in bester Absicht, aber unnötig. Denn Igel sind Wildtiere, die in und mit der Natur leben und an ein solches Leben optimal angepasst sind. Gefangen zu werden bedeutet Stress für sie und kann ihr Immunsystem schwächen. Grundsätzlich gilt: Es ist immer besser, wenn ein Igel im Freien und in Freiheit überwintert, vorausgesetzt er ist gesund und hat genügend Fettreserven. Igel, die einen Winterschlaf unter natürlichen Bedingungen abhalten, haben eine höhere Überlebensrate!

Entspricht die Witterung der Jahreszeit, schlafen in den klimatisch begünstigten Regionen Deutschlands ab etwa Mitte November alle Igel. Im kühleren Norden sind die Tiere insgesamt später dran und somit auch länger unterwegs. Im Allgemeinen verabschieden sich im Oktober zunächst die erwachsenen Igelmännchen in den mehrmonatigen Winterschlaf, einige Wochen später folgen die Weibchen, die Junge aufgezogen und noch Nachholbedarf beim Fettzulegen haben.

Igel im Mutterglück

Sicheres Winterschlafgewicht beträgt 550, besser 600 Gramm

Am längsten sind die Jungtiere aktiv, die sich bei abnehmendem Futterangebot schwer tun, ihr sicheres Winterschlafgewicht von mindestens 550, besser 600 Gramm zu erreichen. Nichts spricht dagegen, sie jetzt mit hochwertigem Futter zu unterstützen und ihnen unter einer umgestülpten Kiste mit Schwingtür Katzennassfutter mit hohem Fleischanteil, etwas Rührei und ein Schälchen Wasser anzubieten. Draußen vor dem Einsetzen von Dauerfrost und Schneefall zuzufüttern, ist auf jeden Fall besser, als einen untergewichtigen Jungigel spät aufnehmen und dann überwintern zu müssen!

Jungigel

Anzeichen für Hilfsbedürftigkeit

Hilfsbedürftigkeit ist auch der einzige Grund, der es gesetzlich erlaubt, Igel vorübergehend (!) ihrer Freiheit zu berauben. Nur wenn die geschützten Wildtiere Hilfe krank, verletzt, verwaist und/oder bei Wintereinbruch allzu leicht sind, ist menschliche Hilfe vonnöten. Ob ein Igel Hilfe braucht, erkennt man am deutlichsten an Tagaktivität. Gesunde Igel sind grundsätzlich nur nachts aktiv. Lässt sich ein Igel am helllichten Tag blicken, rollt er sich nicht ein, torkelt, wackelt oder wärmt sich in den letzten Sonnenstrahlen, hat er mit Sicherheit ein Problem.

Ein solcher Igel muss umgehend eingefangen werden und benötigt fachliche Hilfe, etwa durch erfahrene Igelpfleger oder einen igelkundigen Tierarzt. So lange die Temperaturen tags noch relativ mild sind, können über solch einem Igel Fliegen kreisen, die ihre Eier paketweise in Wunden, an geschützten Stellen oder zwischen den Stacheln ablegen. Aus den weißlich gelben Fliegeneiern schlüpfen innerhalb von acht bis 24 Stunden extrem gefräßige Maden, für die der geschwächte Igel eine lebende Futterquelle ist; schreitet niemand ein, ist dies ein sicheres Todesurteil für den Igel. 

Eingerollter Igel

Ein weiteres klares Anzeichen für Hilfsbedürftigkeit ist es, wenn Igel noch nach Einbruch des Winters und bei niedrigen Temperaturen herumirren. Meist hat man es dann mit kleinen, bzw. zu leichten Igeln zu tun, die den Winterschlaf kaum überleben würden, weil ihnen die nötigen Fettpolster fehlen und sie ihr schützendes Nest spät und bisweilen recht unordentlich bauen. Solche Igel sind Pflegefälle, genauso wie Igel, die augenscheinlich verletzt sind.

Ein natürlicher Garten hilft den Igeln

Wer einen Garten hat, kann seinen stacheligen Gästen nicht nur bei der Vorbereitung auf den mehrmonatigen Winterschlaf helfen. Das A und O ist die naturnahe Gestaltung des Gartens. Wenn sich darin durch heimische Pflanzen, Sträucher und Bäume auch Insekten – die natürlichen Nahrungstiere des Igels – wohlfühlen und genügend „Baumaterialien“ fürs Nisten und sichere, gemütliche Unterschlüpfe vorhanden sind, hilft das dem Wildtier Igel ebenso wie vielen anderen Arten, etwa Vögeln und bodennah lebenden Kleintieren.

Räumen Sie nicht zu sehr auf, kleine unordentliche Ecken mit Laub und Gehölz helfen den Tieren einen natürlichen Winterplatz zu finden.

Aufgeschichtetes Laub, Totholzhaufen, aufgehäufter Baumschnitt in einer abgelegenen, ruhigen Ecke des Gartens bieten Igeln ideale Bedingungen und sind eine natürliche Alternative zu der Vielzahl von Igelburgen und Igelhäusern, die im Handel angeboten werden. Meist werden die naturnahen Nistplätze ohnehin von Mecki & Co. vorgezogen. Igel lieben keine aufgeräumten Gärten, etwas Wildnis im Garten macht für sie fast schon einen guten Lebensraum aus. Natürlich sollte dabei auch darauf geachtet werden, dass Gefahrenquellen entschärft werden. Teiche ohne Flachuferzone sollten eine Ausstiegshilfe haben, Lichtschächte abgedeckt werden. Stufen von Kellertreppen, die nach unten führen, macht man „igelgängig“, indem man die Höhe durch jeweils einen Pflasterstein verringert.

Igel frisst Katzenfutter

Zufüttern ist im Herbst sinnvoll, weil mit dem fortschreitenden Jahr die artgemäßen Nahrungsquellen langsam versiegen. Wird es kälter, sind kaum noch Maden, Larven, Laufkäfer, Tausendfüßer und andere Insekten unterwegs, sondern vorzugsweise noch Schnecken und Regenwürmer, durch die sich der Igel krankmachende Innenparasiten einhandeln kann. Ein Futterangebot für Igel sollte immer erst abends zusammen mit einer Schale frischen Wassers herausgestellt werden; am Morgen sind die Reste zu entsorgen und die Gefäße gründlich mit heißem Wasser zu reinigen, um die Verbreitung von ansteckenden Krankheiten über Futterstellen zu verhindern. Spätestens wenn die Nachttemperaturen sich gegen Null bewegen, sollte eigentlich kein Igel mehr auf Achse sein und das Füttern eingestellt werden.

Was ist bei der Hilfe zu beachten?

Wer Igeln helfen will, darf nicht lang zaudern. Fällt ein Tier erst einmal auf, ist rasches Handeln entscheidend. Für die Erste Hilfe benötigt man nur wenige Utensilien. Mit möglichst stachelsicheren Handschuhen, notfalls mit einer Zeitung, hebt man den Igel auf und setzt ihn in einen Karton, der mit Zeitungspapier ausgelegt ist und hohe Seitenwände hat – das verhindert, dass der Patient ausbüxt. Besonders bei niedrigen Außentemperaturen legt man das Tier erst einmal auf eine lauwarme Wärmeflasche, aber immer so, dass es sie auch verlassen kann. Eine kleine Pappschachtel mit 10 x 10 Zentimeter großem Einschlupfloch, gefüllt mit zerknülltem Papier, Klopapier oder Papierservietten, dient als Schlafhaus.

Igelkinder

Zu futtern gibt es ein Schüsselchen mit Katzenfeuchtfutter, Rührei oder angebratenem Hackfleisch, zu trinken Wasser im Schälchen. Der Karton mit dem Igelpatienten gehört unbedingt ins Warme. Wer befürchtet, sich mit dem Stachler Flöhe ins Haus zu holen, kann vorsichtshalber über den Karton ein schützendes Fliegengitter oder eine Gardine stülpen. Tatsächlich haben Igel häufig Flöhe, aber die sind wirtsspezifisch, bleiben also normalerweise auf „ihrem“ Igel. Bei einer späteren Erstversorgung, etwa durch eine igelkundige Person oder einen Tierarzt, wird ohnehin gegen Außenparasiten wie die blutsaugenden Flöhe und Zecken vorgegangen. 

Spätestens wenn das Fundtier sicher im Warmen untergebracht und mit Futter und Wasser versorgt ist, sollte ein unerfahrener Finder Hilfe und Beratung suchen. Die Fachleute des Vereins Pro Igel e.V. bieten Unterstützung: Unter www.pro-igel.de kann man sich im Internet umfassend rund um Igel, Igelschutz und Igelhilfe informieren. E-Mail-Anfragen werden zeitnah beantwortet. Rat suchende Igelfinder erhalten gern auch kostenlos ausführliches gedrucktes Informationsmaterial.

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