Demokratie am Abgrund

Ein Kommentar von Bianka Specker

„Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus“ – oder?

Von einem schwarzen Tag der Demokratie ist die Rede. In Thüringen hatte sich das Parlament in geheimer Wahl dazu entschlossen, im dritten Wahlgang den FDP Mann Kemmerich zum Ministerpräsidenten zu wählen. Statt Bodo Ramelow, dem Kandidat der Linken oder dem AfD Kandidaten.

Diese Wahl im Landtag in Thüringen sorgte für Aufruhr auf bundespolitischer Ebene, sogar Kanzlerin Merkel meldete sich während einer Pressekonferenz in Südafrika zu der Wahl Kemmerichs. „Die Wahl sei rückgängig zu machen“, forderte sie.

Zur Erinnerung, sie ist Bundeskanzlerin. Nach Art. 65 des Grundgesetzes bestimmt der Bundeskanzler die Richtlinien der Politik und trägt dafür die Verantwortung. „Innerhalb dieser Richtlinien leitet jeder Bundesminister seinen Geschäftsbereich selbständig und unter eigener Verantwortung. Über Meinungsverschiedenheiten zwischen den Bundesministern entscheidet die Bundesregierung. Der Bundeskanzler leitet die Geschäfte nach einer von der Bundesregierung beschlossenen und vom Bundespräsidenten genehmigten Geschäftsordnung“.

Staatsrecht, Gewaltenteilung und Förderalismus

Ich kann mich nicht erinnern, dass ein Bundeskanzler jemals die Forderung gestellt hat, eine Wahl in einem Landtag müsse rückgängig gemacht werden. Die Frage nach der Ermächtigungsgrundlage einer solchen Forderung stellt sich.

Die Landesparlamente werden vom Volk gewählt und konstitutionell ist die Bundesrepublik Deutschland ein Bund der deutschen Länder, an die sie freiwillig Kompetenzen abgetreten hat. Der deutsche Föderalismus sollte diese Tradition der regionalen Gesetzgebungskompetenz bewahren.

Wie heute nun zu erfahren war, wagte das Landesparlament gestern in Thüringen in geheimer Wahl einen anderen Ministerpräsidenten zu wählen, als es der Bundespolitik genehm war.

Eine demokratisch legitimiertes Parlament wählt formal korrekt einen Ministerpräsidenten, muss nun aber den Antrag einreichen, das Landesparlament wieder aufzulösen- keine 24 Stunden nach der Wahl.

Der FDP Vorsitzende Lindner war eigens nach Erfurt angereist, um den neuen Ministerpräsidenten Kemmerich noch auf Kurs zu bringen, denn am Morgen hieß es noch, er wolle im Amt bleiben und eine Regierung der bürgerlichen Mitte führen.

Es wartet aber noch ein taktisches Manöver auf den Landtag. Kemmerich hat angekündigt mit der FDP Fraktion den Landtag auflösen zu wollen, um Neuwahlen herbeizuführen. Dazu braucht es im Landesparlament aber eine 2/3 Mehrheit. Einfacher wäre es gewesen, die Vertrauensfrage zu stellen, bei der eine einfache Mehrheit im Parlament zu seiner Abwahl und damit zu Neuwahlen gereicht hätte.

Ein taktisches Spiel?

Wie geht es auch weiter? Was passiert, wenn der Wähler sich nicht zu einer Wahl der richtigen Partei erziehen läßt? Was, wenn die AfD erneut zweitstärkste Kraft im Parlament wird oder gar stärkste Kraft? Wie will dann regiert werden?

Über die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit der Parteien entschied bislang das Bundesverfassungsgericht. Aber schon bei Erscheinen der Partei der Linken, legten einige Parteipolitiker ein seltsames Demokratieverständnis an den Tag, verweigerten gemeinsame Auftritte in Talkshows und gemeinsame Abstimmungen oder Anträge. Nun ist der AfD diese Rolle zugeschrieben worden.

Eine Demokratie muss verschiedene Parteien aushalten, das macht eine Demokratie und die Toleranz und Offenheit aus- darüber wachen unsere obersten Richter. Diese Gewaltenteilung ist ein weiteres grundlegende Element unserer Demokratie.

Das nun so offensichtlich und gravierend und in dieser Deutlichkeit ein Bundeskanzler in die Angelegenheiten eines Bundeslandes eingreift, ist wahrlich ein Novum- und in der Tat ein schwarzer Tag für die langjährige deutsche Demokratie.

Bildquellen

  • MaoMerkel Bildmontage: Bianka Specker