Mit „MÖSER“ präsentiert das Museumsquartier Osnabrück den berühmtesten Protagonisten der Stadt im Zeitalter der Aufklärung

Ob als Politiker, Jurist, Literat oder Historiker – der Pragmatiker und Realist wird Justus Möser Osnabrück nachhaltig prägen.

Die Stadt Osnabrück feiert am 14. Dezember den 300. Geburtstag des berühmten Osnabrückers Justus Möser (1720 – 1794).

Aus diesem Anlass zeigt das Museumsquartier Osnabrück vom 1. November bis zum 11. April im Kulturgeschichtlichen Museum die Sonderausstellung „MÖSER“. Die Basis des außergewöhnlichen Ausstellungsprojektes bildet die gleichnamige Graphic Novel von Peter Eickmeyer, Thorsten Heese und Gaby von Borstel, die als Begleitpublikation im Splitter Verlag erscheint.

Aufklärung – war da etwas? Vieles von dem, was uns heute selbstverständlich erscheint, verdanken wir den fortschrittlichen Ideen, die zwischen 1650 und 1800 entwickelt wurden. Dank der Naturwissenschaften, die im Zeitalter der Aufklärung entstanden, verstehen wir heute, wie die Natur funktioniert und was uns und unsere Umwelt ausmacht. Wir denken und handeln prinzipiell vernunftgeleitet: „Vor dem Reden den Verstand einschalten!“ Toleranz ist ein Ideal, Religion ist Privatsache. Und wir leben in staatlichen Gemeinschaften, deren Verfassungen unsere bürgerlichen Grundrechte garantieren und die auf das Gemeinwohl ausgerichtet sind.

Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit

Immanuel Kant

An der Schwelle zur Moderne wird der Mensch erwachsen. Das Individuum emanzipiert sich. Die sichtbarste politische Wirkung entfaltet die Aufklärung in ihren revolutionären Ereignissen – 1776 in der Unabhängigkeitserklärung der amerikanischen Kolonien von Großbritannien und 1789 im Fanal der Französischen Revolution.

Mit dem Ruf nach „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ wird die Schwelle zur Moderne endgültig überschritten, trotz restaurativer Versuche gibt es langfristig kein Zurück.

Möser reist gen London

Zu den bedeutenden Akteuren dieser prägenden historischen Epoche gehört der Osnabrücker Justus Möser. Toleranz und Gemeinwohl, Freiheit und Nation: Der kluge Kopf ist an allen Themen der Zeit lebhaft interessiert. Es geht um kritischen Diskurs und Austausch. Fortschritt oder Tradition? Reform oder Revolution? Möser reflektiert, schreibt, publiziert und wird so ein viel beachteter Denker der Zeit. Mit Lessing, Herder und Goethe hat „der herrliche Justus Möser“ (Goethe) Bewunderer und Kronzeugen, die heute aus der deutschen Geistesgeschichte nicht mehr wegzudenken sind.

Die Umstände erlauben es, dass Möser in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts im Fürstbistum Osnabrück zur bestimmenden Persönlichkeit aufsteigt. Ob als Politiker, Jurist, Literat oder Historiker – der Pragmatiker und Realist wird Osnabrück nachhaltig prägen. Dabei bedient er sich der fortschrittlichen Gedanken und Mittel seiner Zeit. Osnabrück, das kleine Territorium im nördlichen Westfalen, wird zum Experimentierfeld für sein Handeln als Aufklärer in der Ständegesellschaft. Sein juristischer Fachverstand, aber auch sein ausgleichendes Wesen machen ihn zum idealen Berater. Schon während des Siebenjährigen Krieges (1756–1763) wird er von allen Ständen mit der Wahrnehmung von Landesinteressen betraut.

Als allseits anerkannte Integrationsfigur entwickelt Möser einen eigenen, von praktischer Vernunft bestimmten Politikstil.

In seinem besonderen, auf das Osnabrücker Hochstift fokussierten Verständnis von Patriotismus bewahrt er dem mittelgroßen Reichsterritorium mit seinen 100.000 Bewohnern die Selbstständigkeit – und das gegenüber der Weltmacht Großbritannien, die über die Vormundschaftsregierung von König Georg III. für dessen minderjährigen Sohn Friedrich von York in Osnabrück offiziell die Macht ausübt. Möser genießt das Vertrauen des englischen Königs und avanciert vor Ort zu seiner rechten Hand. Auch Sohn Friedrich, der 1783 volljährig wird und die Regierung als Fürst und Bischof persönlich weiterführt, verlässt sich auf den Mösers Rat.

Mit seinen „Patriotischen Phantasien“ betreibt der sprachbegabte Möser „heitere Aufklärung“ zum Wohle des Landes und macht den Lesern der 1766 von ihm etablierten Wochenzeitung im Osnabrücker Raum – und darüber hinaus – Lust auf Fortschritt. Am Ende seiner Karriere werden sich in der allmählichen wirtschaftlichen Erholung Osnabrücks nach dem Siebenjährigen Krieg die Früchte seiner Politik zeigen. Dabei ist Osnabrück Teil der auch damals schon globalen Wirtschaft: Über den von Möser geförderten Export des hier produzierten Leinens profitiert die Osnabrücker Bevölkerung vom kolonialen Dreieckshandel und damit von der Ausbeutung der Sklavinnen und Sklaven, die von Afrika aus auf die Plantagen Amerikas und der Karibik verschleppt werden. Dort werden „Osnabrughs“, die aus dem Osnabrücker Leinen gefertigten „Jeans der Frühen Neuzeit“, als strapazierfähige Arbeitskleidung hochgeschätzt.

Möser in seiner Bibliliothek

Möser, aufgewachsen in den klaren Grenzziehungen der Ständegesellschaft, spürt, dass die Welt im Umbruch ist. Den beginnenden Wandel des vom Gottesgnadentum getragenen fürstlichen Obrigkeitsstaates in einen modernen bürgerlichen Rechtsstaat kommentiert er daher in zahlreichen Publikationen. In dieser Zeit der Erneuerung ist Möser eher Reformer als Revolutionär. Das bedeutet für ihn jedoch keinen Widerspruch zum Fortschritt. Das historisch Gewachsene sieht er vielmehr in stetiger Weiterentwicklung. Dagegen bleibt ihm ein totaler Bruch mit dem Bewährten eher fremd. Die Euphorie vieler für die Französische Revolution teilt er daher nicht.

Trotzdem ist er ein aufgeklärter Geist. In dieser Zeit des Übergangs tritt er selbstbewusst auf und lebt die Freiräume, die sich ihm bieten. Die Grenzziehungen der alten Gesellschaft verschwimmen zunehmend und Möser ist zugleich Beobachter und Teilhaber dieses Prozesses mit offenem Ausgang. In der Sommerfrische im Kurort Pyrmont ist er regelmäßig Teil einer temporären Gemeinschaft von Adel und Bürgertum, die bewusst den Austausch über die Ständegrenzen hinweg pflegt. Möser scheut auch nicht davor zurück, mit dem frankophilen Friedrich II. König von Preußen einen intellektuellen Streit über die deutsche Sprache und Literatur zu suchen. Denn Möser ist nicht irgendwer. Oder würde sonst etwa mit Joseph II. ein Kaiser den anerkannten Staatsmann und Juristen um Rat in Sachen Abschaffung der Leibeigenschaft fragen?

Das „Phänomen Möser“ ist komplex und spannend zugleich – und mit ihm die Geschichte Osnabrücks im Zeitalter der Aufklärung.

Die Biografie Justus Mösers führt uns in eine Zeit, deren Prägungen unmittelbar bis in unsere Zeit hineinragen – in eine Zeit, die wieder Fragen nach der Zukunft stellt, nach der Basis unserer Gesellschaft und unseres sozialen Miteinanders. Grund genug für das Museumsquartier Osnabrück, sich diesem Thema mit einer außergewöhnlichen Sonderausstellung zu widmen.

„MÖSER“ ist eine „begehbare Graphic Novel“, die am Beispiel des Osnabrücker Juristen, Literaten und Staatsmannes in die Zeit des aufgeklärten Absolutismus und der Aufklärung einführt und dabei die überregionale Bedeutung Mösers sichtbar macht.

Ziel der von Dr. Thorsten Heese kuratierten Ausstellung ist es, insbesondere Jugendliche und jüngere Erwachsene für das Thema zu sensibilisieren. Konzeptionelle Basis der Präsentation ist die gleichnamige Graphic Novel „MÖSER“ von Peter Eickmeyer und Gaby von Borstel. Sie erscheint als Begleitpublikation zur Ausstellung.

Bildquellen

  • Möser_Schloß: Stadt Osnabrück, Peter Eickmeyer
  • Möser_London: Stadt Osnabrück, Peter Eickmeyer
  • Möser_Bibliothek: Stadt Osnabrück, Peter Eickmeyer