G20/OECD-Steuerreform versäumte Chance

Die 20 größten Volkswirtschaften der Welt (G20) haben heute ihre Unterstützung für den OECD-Vorschlag zur Reform des internationalen Steuerrechts erklärt. Dazu erklärt Antje Tillmann, finanzpolitische Sprecherin der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag:

„Die heutige Einigung der G20 hätte einen Meilenstein in der Geschichte des internationalen Steuerrechts darstellen können. Statt eines großen Schrittes hin zu mehr Steuergerechtigkeit erleben wir genau das Gegenteil. Sie dient wenigen Industrieländern. Die OECD-Steuerreform dürfte auch nicht dazu führen, dass der schädliche Steuerwettbewerb endet.

Seit Beginn des OECD-Projekts zur Reform der Weltsteuerordnung hatten wir als CDU/CSU-Bundestagsfraktion diese Arbeiten unterstützt. Dabei sollten aggressive Steuergestaltungen multinationaler Digitalkonzerne bekämpft und dem schädlichen Steuerwettbewerb unter den Staaten eine Untergrenze gesetzt werden. Beide Ziele werden mit dieser Reform nicht erreicht.

Besonders enttäuschend ist der Papiertiger Mindestbesteuerung. Der Finanzminister konnte sich nicht durchsetzen, sie als Mindeststandard zu vereinbaren. Ursprünglich sollte mit der Idee der ruinöse Steuerwettbewerb begrenzt werden. Stattdessen können die 132 zustimmenden Staaten trotz Einigung nun selbst wählen, ob sie die Mindestbesteuerung einführen. Es ist völlig unklar, wer in den nächsten Jahren hier Wort hält. Es ist selbst unklar, ob die EU mitmacht, da drei Mitgliedstaaten unter den sieben Kritikern sind, wir aber für eine EU-weite Einführung deren Zustimmung bedürfen. 

Schließlich zementieren die G20 und die OECD mit den Ausnahmen für die Finanzbranche und die Rohstoffindustrie die Ausbeutung der Entwicklungsländer und lassen diese im internationalen Steuerwettbewerb allein. Die Ergebnisse sind eine Bankrotterklärung für die Steuergerechtigkeit. Eine historische Chance ist vertan.“ 

Hintergrund:

Die OECD hat eine Reform des internationalen Steuerrechts erarbeitet, die auf zwei Säulen fußt. Aggressive Steuergestaltungen von Digitalkonzernen möchte die OECD mit Säule 1 bekämpfen. Diese sieht vor, dass unter dem sog. Betrag A zukünftig multinationale Unternehmen mit einem Jahresumsatz von mehr als 20 Mrd. EUR einen Teil ihrer Übergewinne in Marktstaaten versteuern müssen. Konkret sollen 20-30 % der über einen Routinegewinn von 10 % der Umsatzrendite hinausgehenden Gewinne unter den Marktstaaten aufgeteilt werden, in denen diese Unternehmen im Markt tätig sind. Von dieser Regelung sind die Finanz- und die Rohstoffindustrie (Bergbau, Öl- und Gassektor) ausgenommen.

Mit der effektiven Mindestbesteuerung sollte dem schädlichen Steuerwettbewerb eine Untergrenze gesetzt werden. Unter der so genannten Säule 2 erhalten Staaten das Recht, Gewinne von Tochterunternehmen multinationaler Unternehmen mit einem Jahresumsatz von mehr als 750 Mio. EUR nachzubesteuern, wenn die Gewinne im Ansässigkeitsstaat des Tochterunternehmens nicht effektiv mit mindestens 15 % besteuert wurden. Übt ein Staat sein Nachversteuerungsrecht nicht aus, so können andere Staaten in der Beteiligungskette zwischen Konzernspitze und Tochterunternehmen diese Nachversteuerung bis zu 15 % nachholen. Die Bemessungsgrundlage zur Berechnung der effektiven Steuerbelastung ist allerdings noch weiteren Verhandlungen vorbehalten.

Von der Mindestbesteuerung ist die Schifffahrtsindustrie ausgenommen. Davon profitieren insbesondere große Flaggenstaaten wie Panama, Liberia und die Marschall-Inseln – Steueroasen mit wenig bis gar keinen Arbeitsschutzbestimmungen. Auch sind die Routinegewinne aller multinationalen Unternehmen von der Mindestbesteuerung ausgenommen. Wenn die Gewinne 5 % der Summe des Anlagevermögens und der Löhne nicht übersteigen, sind sie von der Mindestbesteuerung überhaupt nicht erfasst.