Neujahrspredigt von Bischof Dr. Georg Bätzing: „Zuversicht, Mut und Vertrauen“

Bischof Dr. Georg Bätzing

Neujahrspredigt von Bischof Bätzing in der Eucharistiefeier zum Jahresbeginn in der Kapelle des Bischofshauses in Limburg

Mit einem Aufruf, zuversichtlich, mutig und mit Vertrauen das neue Jahr zu beginnen, hat heute der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Dr. Georg Bätzing, den Neujahrsgottesdienst in Limburg gefeiert.

„Heute fängt etwas an, von dem wir noch nicht wissen, wie es weitergeht und schon gar nicht, wie es endet. Und darum braucht es Zuversicht, Mut und Vertrauen am Anfang eines neuen Jahres.“ Der erste Tag im Jahr gebe immer auch den Impuls zu überdenken und zu planen, was man persönlich ändern möchte, was gemeinsam angepackt werden will und wo der Mensch vom Glauben in die Verantwortung gerufen werde. Neujahr fühle sich oft wie der erste Tag vom Rest des Lebens an.

Gleichzeitig erinnerte Bischof Bätzing an das zurückliegende Jahr: Ein herausforderndes Jahr mit Hoffnung und Leid, mit Aufbrüchen und Katastrophen, mit Vernichtung und Solidarität, mit einem Auf und Ab der Pandemie liege hinter den Menschen. Was das neue Jahr 2022 bringe, sei noch nicht klar und wie sehr man sich auch anstrenge, seien die Konturen noch nicht erkennbar. Der Januar sei der Monat, in dem Türen geschlossen würden und sich Tore öffnen.

Bischof Bätzing ging in seiner Predigt auch auf das Hochfest der Gottesmutter Maria und wiederaufkommenden Antisemitismus in Deutschland ein. An diesem Tag gelte es, Maria besonders zu danken. Papst Pius XI. habe das Fest 1931 eingerichtet und wollte damit an das Konzil von Ephesus (431) anknüpfen, das Maria den Titel „Gottesgebärerin“ zuerkannte.

Bei diesem frühchristlichen Konzil ging es vor allem um Fragen, die Jesus betrafen und man versuchte zu klären, wer er sei, woher er komme und wie er zu Gott stehe.

„Aber diese Fragen lassen sich nicht ohne einen Blick auf seine menschliche Mutter Maria beantworten. Maria, die Frau aus Nazareth, eine Jüdin, hat ihm das Leben geschenkt. Sie hat ihren Sohn begleitet. Als alle flohen, blieb sie beim Kreuz. Und sie war dabei, als die Kirche ihren Anfang nahm. Darum steht Maria bei vielen Gläubigen so hoch im Kurs“, erklärte der Bischof.

Das Evangelium des Neujahrtages blicke jedoch nicht auf Maria, sondern auf die jüdischen Wurzeln Jesu. Lange habe der Tag deshalb auch „Fest der Beschneidung Jesu“ geheißen. „Und es ist wichtig, immer wieder daran zu denken, wie sehr Juden und Christen verwandt sind. Wir entstammen einer einzigen Wurzel. Darum müssen gerade wir aufstehen und unsere Stimme erheben, wenn wieder frech und unverhohlen antisemitische Parolen und Straftaten verübt werden“, stellte Bischof Bätzing klar.

Der 1. Januar ist zudem der Weltfriedenstag.

Dieses Signal sei Papst Paul VI. zu verdanken. Er habe zum Jahresanfang 1968 einen Tag des Gebetes und des Bemühens um den Weltfrieden ins Leben gerufen. Damit setzte er das Zeichen, dass Frieden kein Zustand und schon gar keine Selbstverständlichkeit sei. Frieden sei ein Weg, beschwerlich und mühevoll.

„Immer und immer wieder braucht es den Widerstand gegen aufkeimenden Hass, gegen zerstörerische Wut und die Saat von Unwahrheit und Einschüchterung, mit denen die einen um den kulturellen Vorrang vor den anderen, um bessere Lebensbedingungen, größeren Wohlstand und um Zugang zu Bodenschätzen kämpfen“, so Bischof Bätzing.

Frieden entstehe nicht durch konkurrierendes Gerangel, sondern sei die Frucht der Gerechtigkeit. Der Weltfrieden sei auch heute bedroht. Viel zu viele Menschen hätten noch nie in friedlichen Verhältnissen gelebt und wüssten gar nicht, was Frieden ist. „Und darum wollen wir uns heute als ‚Werkzeuge des Friedens‘ zur Verfügung stellen und uns um Frieden in unseren Herzen und in unseren kleinen Lebenswelten bemühen.“


Predigt von Bischof Dr. Georg Bätzing, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz in der Eucharistiefeier zum Jahresbeginn in der Kapelle des Bischofshauses in Limburg am 1. Januar 2022

Num 6,22–27 Gal 4,4–7
Lk 2,16–21

Auf dem Tagesblatt meines Abreißkalenders zuhause lese ich am Neujahrstag: 1. Januar – Hochfest der Gottesmutter – Weltfriedenstag. Und ich denke mir, diese Angaben wirken wie Signale, wie Zeichen, die Richtung geben und einen Auftrag. Es könnte sich lohnen, etwas darüber nachzudenken.

Erster: Gemeint ist der erste Tag dieses Jahres 2022. Also nicht wie auf einem Siegertreppchen stehen, umjubelt werden und denken, diesen Wettkampf hast du gewonnen. Eher so wie der erste Arbeitstag, die ersten Schritte in einem neuen Beruf, vielleicht der erste verheißungsvolle Kuss, erste Begegnungen mit der Familie der Freundin. Heute fängt etwas an, von dem wir noch nicht wissen, wie es weitergeht; schon gar nicht wie es endet. Und darum braucht es Zuversicht, Mut und Vertrauen am Anfang eines neuen Jahres. Es soll ja nicht alles einfach weitergehen wie bisher; ja, eigentlich darf es nicht so weitergehen. Erster: Dieser Tag gibt also auch den Impuls zu Überdenken und zu planen, was ich Ändern will, was wir gemeinsam anpacken wollen und wo uns unser Glaube in die Verantwortung ruft. „Heute ist der erste Tag vom Rest deines Lebens“, hat Mahatma Gandhi (1869–1948) gesagt. Ja, so fühlt sich Neujahr für mich an.

Januar: Die Geschichte ist verwickelt. Er war nicht immer der erste Monat des Jahres. Lange Zeit begann das Jahr im März, auch in unseren Breiten; da war er der elfte Monat. Aber mit seiner Herleitung vom römischen Gott Janus passt er gut zum Jahresbeginn. Denn Janus steht für den Anfang und das Ende, die Türen und die Tore – und sein Festtag wurde im römischen Reich mit rauschenden

Festen begangen. Kein Wunder also, dass man Janus mit zwei Gesichtern darstellt. Eines blickt nach vorne, das andere nach hinten. Und so fühlt es sich doch auch an diesem Morgen. Was für ein Jahr liegt hinter uns! Ich muss nicht alle Ereignisse noch einmal nennen, um zu erinnern, was uns in Atem hielt: Ein neuer amerikanischer Präsident macht Hoffnung, eine Flutkatastrophe bringt Vernichtung und zugleich eine Welle der Solidarität, das Auf und Ab der Pandemie mit allen Einschränkungen und schmerzlichen Erfahrungen, Olympische Spiele und kaum Zuschauer, unsere Schockstarre bei der Rückkehr der Taliban in Afghanistan … Und das neue Jahr? So sehr wir uns auch anstrengen, wir können noch nicht viel an Konturen erkennen. Die neue Regierung in unserem Land, was wird sie anpacken, verändern; wozu wird sie uns als Christen herausfordern? Ausstieg Deutschlands aus der Kernenergie bis Ende des Jahres. Fußballweltmeisterschaft in Katar, ein zweifelhaftes Ereignis. Und wohin werden schlimme Nachrichten unsere Blicke wenden? Und was steht Schönes an bei Ihnen? Ein Geburtstag, eine Hochzeit, die Geburt eines Kindes? Es ist Januar, Türen wurden geschlossen, Tore öffnen sich.

Hochfest der Gottesmutter: Das Evangelium der Messe am Neujahrstag legt es nahe, besonders in Erinnerung zu rufen, dass Jesus ein Jude war (vgl. Lk 2,21). „Fest der Beschneidung Jesu“ hieß dieser Tag darum auch für lange Zeit. Und es ist wichtig, immer wieder daran zu denken, wie sehr Juden und Christen verwandt sind. Wir entstammen einer einzigen Wurzel. Darum müssen gerade wir aufstehen und unsere Stimme erheben, wenn wieder frech und unverhohlen antisemitische Parolen gegrölt und Straftaten verübt werden. Darüber hinaus hat es seinen guten Sinn, einmal in der Weihnachtszeit ganz bewusst die Mutter Gottes in den Mittelpunkt zu stellen, um ihr zu danken. Als Papst Pius XI. dieses Fest 1931 einrichtete, wollte er damit an das Konzil von Ephesus im Jahr 431 erinnern, bei dem Maria in feierlicher Weise der Titel „Gottesgebärerin“ zuerkannt wurde. Natürlich ging es in den Diskussionen vor allem um Jesus: Wer ist er? Woher kommt er? Wie steht er zu Gott? Und: Was ist er für uns? Aber diese Fragen lassen sich nicht ohne einen Blick auf seine menschliche Mutter Maria beantworten. Maria, die Frau aus Nazareth, eine Jüdin, hat ihm das Leben geschenkt. Sie hat ihren Sohn begleitet. Als alle flohen, blieb sie beim Kreuz. Und sie war dabei, als die Kirche ihren Anfang nahm. Darum steht Maria bei vielen Gläubigen so hoch im Kurs. „Unter deinen Schutz und Schirm fliehen wir, o heilige Gottesgebärerin …“, so beginnt das älteste Mariengebet (aus dem dritten Jahrhundert); kein Wunder, dass es vielen von uns so kostbar ist. Maria, Mutter Gottes, wir danken dir, dass du uns Jesus geboren hast.

Weltfriedenstag: Dieses Signal verdanken wir Papst Paul VI. Als in den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts die Gesellschaften in Ost und West während des Kalten Krieges in eisigem Gegeneinander erstarrten, im Süden der Welt hingegen die Erde brannte und Kriege mit entsetzlicher Gewalt tobten – in Vietnam oder in Biafra im Südosten Nigerias, da rief der Papst mit einer Botschaft zum Jahresanfang 1968 einen Tag des Gebetes und des Bemühens um den Weltfrieden ins Leben. Und damit setzte er ein Signal: Frieden ist kein Zustand, schon gar keine Selbstverständlichkeit. Frieden ist ein Weg – beschwerlich und mühevoll. Immer und immer wieder braucht es den Widerstand gegen aufkeimenden Hass, gegen zerstörerische Wut und die Saat von Unwahrheit und Einschüchterung, mit denen die einen um den kulturellen Vorrang vor den anderen, um bessere Lebensbedingungen, größeren Wohlstand und um Zugang zu Bodenschätzen kämpfen. Frieden aber entsteht nicht durch konkurrierendes Gerangel. Frieden ist die Frucht der Gerechtigkeit, das wusste schon der Prophet Jesaja (vgl. Jes 32,17). Am ersten Tag des neuen Jahres lenkt der Papst die Aufmerksamkeit auf den Frieden in der Welt. Er ist auch heute bedroht. Viel zu viele Menschen haben noch nie in friedlichen Verhältnissen gelebt, sie wissen gar nicht, was Frieden ist. Und darum wollen wir uns heute als „Werkzeuge des Friedens“ zur Verfügung stellen und uns um Frieden in unseren Herzen und in unseren kleinen Lebenswelten bemühen.

1. Januar – Hochfest der Gottesmutter – Weltfriedenstag. Es sind gute Signale, die uns da angeboten werden. Sie weisen die Richtung, wenn wir nun in ein neues Jahr aufbrechen. Ihnen und allen, die zu Ihnen gehören, wünsche ich von Herzen ein friedvolles, gesundes, frohes und glückliches neues Jahr.


Weitere Informationen zum Weltfriedenstag sind unter www.dbk.de auf der Themenseite Welttag des Friedens verfügbar.

Bildquellen

  • Portrait-Bischof-Baetzing-im-Dom: Bistum Limburg