
„CDU verrennt sich im Kampf gegen Osnabrücker Kunsthalle“
Gestern wurde die neue Ausstellung in der Osnabrücker Kunsthalle eröffnet, die im Vorfeld bereits für reichlich Wirbel in der Hasestadt sorgte.
Die Kunsthalle Osnabrück eröffnete gestern ihr neues Jahresthema „Kinder, hört mal alle her!“, bestehend aus Einzelausstellungen von Julia Miorin, Sophia Süßmilch, Wilhelm Klotzek, Ji Su Kang-Gatto und Liz Magic Laser. Wie die Kunsthalle Osnabrück auf ihrer Webseite darlegte, bieten die Ausstellungen und Veranstaltungen des Jahresprogramms Kinder, hört mal alle her! viele kindgerechte und altersübergreifende Angebote: „Es werden jedoch auch gesellschaftsrelevante Inhalte (bspw. in der Ausstellung von Sophia Süßmilch) verhandelt, die starke Emotionen und Erinnerungen provozieren können, wie häusliche Gewalt, Fehlgeburten und Kinderlosigkeit.
Neben den benannten Themen werden die Performerinnen nackt auftreten.“
Aus den Gründen wollten sie ihre Besucher transparent darüber informieren: „Ein Besuch der Ausstellung und der Performance von Sophia Süßmilch kann als nicht kindergerecht eingestuft werden. Für die Performance wird eine Altersfreigabe ab 16 Jahren empfohlen. Der Besuch obliegt der eigenen und elterlichen Entscheidung. Während der Performance zur Eröffnung wird eine Kinderbetreuung in räumlicher Distanz angeboten. Zudem steht ein Awareness-Team zur Verfügung.“
Der CDU-Kreisverband Osnabrück und die CDU-Stadtratsfraktion Osnabrück riefen zum Boykott der Ausstellung in der Kunsthalle Osnabrück auf. Die Ausstellung stelle Werke aus, „die sowohl inhaltlich als auch visuell absolut inakzeptabel“ seien.
„Wir können und wollen nicht hinnehmen, dass unter dem Deckmantel der Kunst derartige groteske und verstörende Darstellungen öffentlich gezeigt werden“, betonte Marius Keite, Vorsitzender der CDU-Stadtratsfraktion Osnabrück in einer Mitteilung. „Insbesondere die Performance von Sophia Süßmilch, in der kannibalistische Fantasien propagiert werden, ist für uns ein absolutes No-Go. Solche Darstellungen sind nicht nur für Kinder, sondern auch für Erwachsene unzumutbar und entbehren jeglichen Respekts vor menschlichen Werten und Würde.“
Trigger-Warnung reicht der CDU nicht
Die CDU fordert die Verantwortlichen der Kunsthalle Osnabrück auf, diese Ausstellung umgehend zu schließen und entsprechende Konsequenzen zu ziehen. „Es ist unverständlich, wie eine solche Ausstellung überhaupt genehmigt werden konnte“, so Verena Kämmerling, Kreisvorsitzende der CDU Osnabrück und Mitglied des Niedersächsischen Landtags. „Die Trigger-Warnung, die von den Veranstaltern selbst ausgegeben wurde, spricht Bände. Kunst darf provozieren, aber sie muss auch Verantwortung übernehmen. Hier wurde eine klare Grenze überschritten.“
Die CDU rief daher alle Bürger Osnabrücks dazu auf, diese Ausstellung zu boykottieren und ein klares Zeichen gegen solche verstörenden Kunstwerke zu setzen. „Es ist unsere Verantwortung, die moralischen und ethischen Grundsätze unserer Gesellschaft zu verteidigen und zu bewahren. Der CDU-Kreisverband Osnabrück und die CDU-Stadtratsfraktion Osnabrück werden sich weiterhin dafür einsetzen, dass in unserer Stadt Kunst gefördert wird, die unser kulturelles Erbe respektiert und die Werte unserer Gemeinschaft widerspiegelt.“
Die Eröffnung gut besucht
Die Osnabrücker folgten dem Boykottaufruf der CDU nicht, die Veranstaltung war gestern Abend noch sehr gut besucht, wie unsere Redaktion vor Ort feststellen konnte.
Am heutigen Sonntag erreichte uns ein Statement des Fraktionsvorsitzenden der GRÜNEN im Stadtrat, Volker Bajus und des kulturpolitischen Sprechers der GRÜNEN Ratsfraktion, Sebastian Bracke zu dem Boykottaufruf des CDU-Kreisverbandes Osnabrück und der CDU-Stadtratsfraktion Osnabrück.
Verteidigung der Kunstfreiheit
„Die ästhetische Bewertung überlassen wir gerne anderen, die Verteidigung der Kunstfreiheit nicht“, erklären Volker Bajus, Fraktionsvorsitzender der Grünen im Stadtrat und Sebastian Bracke, kulturpolitischer Sprecher und erklären weiter: „Es ist völlig in Ordnung, wenn die Ausstellung nicht den Geschmack der CDU-Kollegen trifft. Die Forderung nach Schließung der Ausstellung ist absurd. Was kommt als nächstes? Die Forderung, alle Kriminalromane als Mordpropaganda aus der Stadtbibliothek zu verbannen?“
Genauso befremdlich wie, dass die CDU eine Ausstellung, die sie nicht mal kenne, verbieten wolle, sei die Forderung nach einer „Genehmigung von Kunst“.
„Wir haben im Mai gemeinsam im Stadtrat das 75-jährige Bestehen des Grundgesetzes mit seinen Freiheitsrechten gefeiert. Es fällt schwer, diese Forderung der CDU nicht als Angriff auf die Kunstfreiheit und damit auf die freiheitlich demokratische Grundordnung zu verstehen“, sagt Bajus.
Die Ausstellung sei vollständig von der Kunstfreiheit gedeckt und der Jugendschutz gewahrt, so die Sprecher. „Allein auf Basis einer Besprechung eines – wenn auch hoch geschätzten – Kunstkritikers die komplette Ausstellung anzugreifen, zeigt, dass die CDU sich im Kampf gegen die Kunsthalle völlig verrennt“, erklärt Bracke.
Etwas Positives gewinnen die beiden der Sache ab: „Mit ihrer Kampagne befeuert die CDU das Interesse an der Ausstellung. Viele fragen sich jetzt natürlich, was die örtliche CDU wohl verboten sehen möchte und werden sich auch deshalb in den kommenden Wochen selbst ein Bild machen.“