
Im Jahr 2023 wurden 52.330 Frauen und Mädchen Opfer von Sexualstraftaten – über die Hälfte dieser Opfer war minderjährig
Bundesinnenministerin Nancy Faeser und Bundesfrauenministerin Lisa Paus haben gemeinsam mit dem Vizepräsidenten des Bundeskriminalamts, Michael Kretschmer, in Berlin das erste Lagebild „Geschlechtsspezifisch gegen Frauen gerichtete Straftaten“ vorgestellt.
Dieses Lagebild sammelt erstmals Zahlen aus unterschiedlichen Datenquellen und zeigt umfassend auf, dass Frauen und Mädchen Opfer von Straftaten und Gewalt werden, weil sie weiblich sind. Es ist ein wesentlicher Schritt, um den Schutz von Frauen vor Gewalt und anderen Straftaten zu verstärken. Das Lagebild beinhaltet Daten zu physischen Gewalttaten sowie zu frauenfeindlichen Straftaten im Kontext der politisch motivierten Kriminalität und solchen, die überwiegend Frauen betreffen. In allen diesen Bereichen stiegen die Zahlen 2023 im Vergleich zum Vorjahr.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) erklärt:
„Wir stellen uns entschieden gegen Gewalt gegenüber Frauen. Es bedarf mehr Härte gegenüber den Tätern und mehr Aufmerksamkeit und Hilfe für die Opfer. Neben strengeren Strafen benötigen wir verpflichtende Anti-Gewalt-Trainings und elektronische Fußfesseln, um sicherzustellen, dass Täter ihr Verhalten ändern und keinen unbemerkten Zugang zu den betroffenen Frauen haben.
Gewalt gegen Frauen betrifft uns alle. Fast täglich wird ein Femizid in Deutschland verzeichnet. Alle drei Minuten wird eine Frau oder ein Mädchen in Deutschland Opfer häuslicher Gewalt.
Jeden Tag sind über 140 Frauen und Mädchen Opfer einer Sexualstraftat, einfach weil sie weiblich sind. Das ist unerträglich und verlangt nach entschlossenem Handeln.“
Bundesfrauenministerin Lisa Paus (B90/Grüne) fordert:
„Die Zahlen dieses ersten Lagebilds zeigen, dass Gewalt zum Alltag von Frauen gehört, was beschämend ist.
Betroffenen Frauen ist es egal, wer regiert; sie benötigen sofortigen Schutz und Beratung. Das Gewalthilfegesetz wird Leben retten und kann nicht durch einzelne Maßnahmen ersetzt werden. Der Rechtsanspruch auf Schutz und Beratung für von Gewalt bedrohte Frauen muss mit einem Ausbau der Infrastruktur für Beratung und Schutzeinrichtungen einhergehen. Den Entwurf dieses Gesetzes habe ich seit langem und sehr genau mit Ländern und Verbänden am Runden Tisch vorbereitet. Ich appelliere an alle im Deutschen Bundestag, dafür zu sorgen, dass Frauen besser geschützt werden.“
BKA-Vizepräsident Michael Kretschmer sagt:
„Die Fakten und Zahlen zeigen, dass Hass und Gewalt gegen Frauen zunehmend ein gesellschaftliches Problem darstellen. Ein Anstieg ist in allen Bereichen geschlechtsspezifischer Straftaten zu beobachten.
Es gibt weiterhin ein großes Dunkelfeld, insbesondere in den Bereichen häusliche und digitale Gewalt, wobei die realen Zahlen vermutlich noch viel höher liegen. Die Sicherheitsbehörden müssen diese Entwicklungen weiterhin genau beobachten, aufmerksam und sensibel auf solche Straftaten reagieren und die Tathintergründe aufklären.
Wir müssen aktiv gegen Täter vorgehen. Unser Motto bleibt: Null Toleranz für Gewalt und Hass gegen Frauen, ob im physischen oder digitalen Raum.“
Deutschland erfüllt mit diese Lagebild eine zentrale Forderung der Istanbul-Konvention, die Sammlung und Bereitstellung von Daten zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt.
Wichtige Erkenntnisse aus dem Lagebild:
- Femizide: 2023 gab es 938 weibliche Opfer von versuchten oder vollendeten Tötungsdelikten, ein Anstieg von 1,0 Prozent. Das entspricht 32,3 Prozent aller Opfer von Tötungsdelikten. 80,6 Prozent dieser weiblichen Opfer waren in partnerschaftlichen Beziehungen. Insgesamt starben 360 Frauen und Mädchen, was nahezu täglich einen Femizid bedeutet.
- Sexualstraftaten: Im Jahr 2023 wurden 52.330 Frauen und Mädchen Opfer von Sexualstraftaten, ein Anstieg von 6,2 Prozent (2022: 49.284). Über die Hälfte dieser Opfer war minderjährig.
- Digitale Gewalt: Es gab einen deutlichen Anstieg um 25 Prozent bei weiblichen Opfern digitaler Gewalt, wie Cyberstalking, mit 17.193 Fällen im Vergleich zu 13.749 im Vorjahr.
- Häusliche Gewalt: 70,5 Prozent der Opfer häuslicher Gewalt sind Frauen und Mädchen, mit einem Anstieg der Opferzahlen um 5,6 Prozent auf 180.715 (2022: 171.076), unterteilt in Partnerschafts- und innerfamiliäre Gewalt.
- Menschenhandel: Ein Anstieg um 6,9 Prozent bei Straftaten wie Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung, Zuhälterei und zur Prostitution, mit 591 weiblichen Opfern, von denen 31,5 Prozent unter 21 Jahre alt waren.
- Frauenfeindliche Straftaten: Ein signifikanter Anstieg von 56,3 Prozent bei frauenfeindlichen Straftaten in der politisch motivierten Kriminalität, mit 322 Fällen im Jahr 2023 (2022: 206).
Die meisten Opfer und Tatverdächtigen sind deutscher Staatsangehörigkeit, wobei im Bereich Menschenhandel ein höherer Anteil an nichtdeutschen Staatsangehörigen zu verzeichnen ist, so der Bericht.
Das Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ bietet Frauen, Personen aus deren sozialem Umfeld und Fachkräften unter der Nummer 116 016 rund um die Uhr kostenlose, barrierefreie und anonyme Beratung auf Deutsch und 18 Fremdsprachen an. Weitere Informationen unter http://www.hilfetelefon.de.
Die App des Vereins „Gewaltfrei in die Zukunft e.V.“ bietet von häuslicher Gewalt betroffenen Personen einen niedrigschwelligen Zugang zu Informationen und Unterstützungsangeboten und soll als Brücke in das bestehende Hilfenetzwerk dienen. Weitere Informationen unter http://www.gewaltfrei-in-die-zukunft.de.
Bildquellen
- Symbolbild Gewalt gegen Frauen und Mädchen: Alexas Fotos