
Im Kölner Zoo sind Anfang vergangener Woche zwei Junge – ein männliches und ein weibliches – bei den Asiatischen Löwen geboren worden. Der Kölner Zoo ließ die Löwenjungen allerdings einschläfern, da Löwenmutter Gina die Jungtiere auch nach mehreren Tagen nicht richtig angenommen und versorgt hat.
Der Zoo hatte nach seiner Auffassung nichts unversucht gelassen, um Mutter Gina an die neuen Jungtiere zu gewöhnen. So trennte das Zooteam die Löwenmutter von ihren älteren, im Januar 2024 geborenen Jungtieren, „damit sie Ruhe für den neuen Wurf hat“.
Es wurde auch die Situation in der Wurfbox beobachtet, veterinärmedizinische Expertise hinzugezogen und für absolute Ruhe gesorgt. Tatsächlich wurde zwischenzeitlich von Zoomitarbeitern beobachtet, dass eines der neugeborenen Jungtiere Milch bei der Mutter trinken konnte, was Hoffnung gab. Doch offensichtlich kümmerte sich „Gina“ nicht ausreichend.
Die Löwenmutter wollte immer wieder zu den von ihr getrennten älteren Löwenkindern zurück, die mit 1,5 Jahren ebenfalls noch nicht selbstständig sind und noch einige Monate mütterliche Fürsorge benötigen.
Wie der Kölner Zoo erklärt, handelte Gina aus ihrer Sicht absolut rational, indem sie den fast ausgereiften Nachwuchs aus dem vergangenen Jahr bis zur kurz bevorstehenden kompletten Eigenständigkeit aufziehen will. „Die Überlebenschancen des sehr früh geborenen jüngsten Wurfs waren von Anfang ausgesprochen gering“, so das Zooteam.
Der Kölner Zoo erklärt die Entscheidungsfindung wie folgt:
Letztlich trafen wir dann, nach sorgfältigen Abwägungen aller zuständigen Biologen und auf Empfehlung des Zuchtbuchführers für Asiatische Löwen, sowie nach tiermedizinischer Indikation, die Entscheidung die bereits stark entkräfteten Jungtiere einzuschläfern, um ihnen unnötiges Leid zu ersparen.
Ebenfalls in enger Abstimmung mit dem Zuchtprogramm für Asiatische Löwen wurde bereits im Vorfeld gemeinsam entschieden, auf eine Handaufzucht der Löwenjungtiere zu verzichten, da dies zu einer Fehlprägung dieser Löwen auf Menschen führen würde.“
Es sei evolutionär bedingt, dass eine Löwenmutter sich nur um die Jungtiere kümmere, die die größten Chancen haben, durchzukommen, also in dem Fall um die älteren Jungtiere.
Sobald zumindest zwei der drei älteren Jungtiere den Kölner Zoo im Herbst in andere Zoos zur Zucht dort verlassen haben, erwartet der Zoo eine erneute Nachzucht durch Gina und Navin: „Wir hoffen auf eine dann wieder erfolgreiche Aufzucht, wenn eine soziale Abnabelung stattgefunden hat.“
In der Wildnis verlassen männliche Junglöwen ihre Mutter nach etwa zwei Jahren, während junge Löwinnen oft im Rudel bei der Mutter bleiben. Die Sterblichkeitsrate von Würfen und Junglöwen ist im ersten Lebensjahr in der Wildnis sehr hoch. Im Durchschnitt überlebt nur ein Wurf im Leben einer erwachsenen Löwin. In Zoos sind die Überlebenschancen von Würfen deutlich höher.
Nachdem der Kölner Zoo mit der Nachricht auf großes Unverständnis und Empörung in der Bevölkerung stieß, die jungen Löwenjungen einschläfert zu haben, bezog das Team noch einmal Stellung.
Statement des Kölner Zoos vom 15. Juli 2025:
„Zum Zoo und zur Katzenhaltung/Haltung Asiatische Löwen:
- Der Kölner Zoo ist eine wissenschaftlich geführte Einrichtung. Wir arbeiten mit ausgebildetem Personal in der Tierpflege und Tierwohl steht bei uns an erster Stelle – daher waren wir 2024 auch der erste Zoo in Deutschland, der von der Tierschutzorganisation Global Humane eine Tierwohl-Akkreditierung erhalten hat. Er ist zudem seit 2024 auch der erste Zoo, der mit der Weltnaturschutzunion ein eigenes Artenschutzzentrum aufgebaut hat und unterhält.
- Es gibt sehr gute Bestände von Groß- und Kleinkatzen in Zoologischen Gärten in der Welt. Sehr viele davon werden in entsprechenden Erhaltungszuchtprogrammen gemanagt, so auch Asiatische Löwen im Kölner Zoo.
- Der zuständige Kurator Dr. Alex Sliwa ist Vorsitzender aller Katzenzuchtprogramme des Europäischen Zooverbands (EAZA) und Mitglied der Artkommission Asiatischer Löwe. Er ist ein Katzenspezialist, der gerade das Land NRW in Sachen Luchsauswilderung berät wie auch zu anderen Wiederansiedlungsprogramme seit Jahrzehnten berät.
- Der Kölner Zoo kooperiert mit dem WWF und hat über das „Team Tiger Köln“, insgesamt rund 500.000 € für diese bedrohte Tierart gesammelt. Der Kölner Zoo ist darüber hinaus auch für weitere Katzenprojekte tätig, so unter anderem für die Erforschung und den Erhalt der Schwarzfußkatze.
- Die Population der letzten Asiatischen Löwen ist erfreulicherweise sowohl in der Wildnis auf 600-1.000 Tiere wie auch im Erhaltungszuchtprogramm in europäischen Zoos langsam auf circa 140 Tiere (16 Gründertiere) gestiegen.
- Derzeit halten wir folgende Asiatische Löwen: Gina, 11 Jahre; Navin 9 Jahre; 2 Jungtiere, geb. am 19. Jan. 2024 (18 Mon.)
Zur aktuellen Situation:
- Wir sind transparent und haben daher auch proaktiv über das Einschläfern zweier Löwenjungtiere und die Hintergründe dazu berichtet.
- „Es ist für uns eine emotional belastende Entscheidung gewesen, für die Tierpflegerinnen und -pfleger, den Kurator, die Tierärztinnen und mich. Wir haben alles versucht und am Schluss hieß es für uns ganz klar alle unnötigen Schmerzen und Leiden zu vermeiden“, sagt Prof. Theo B. Pagel, Direktor des Kölner Zoos.
Warum war Gina erneut tragend?
- Wir haben bei ihr nicht verhütet, da „Gina“ genetisch sehr wichtig ist und wieder züchten soll. Die Gabe von Kontrazeptiva (Verhütungsmittel) kann bei Ihr zu Unfruchtbarkeit (und anderen mögliche Gesundheitsschäden) führen.
- Dass Junge geboren werden, wenn noch Junge aus dem vorherigen Wurf bei der Mutter sind, kann es bei Löwen auch in der Wildnis geben. Der Unterschied ist allerdings, dass es dann kein humanes Einschläfern der nicht angenommenen Jungtiere gegeben hätte.
- Übrigens liegt die Sterblichkeit bei jungen Löwen in der Wildnis zwischen 50-80 %.
Macht Zucht bei Asiatischen Löwen überhaupt Sinn?
- Ja, durch Zooarbeit sind wieder stabile Bestände entstanden, man kann eine Art nicht einfach aufgeben, das ist nicht unser Anspruch. Wir züchten auch nicht für Publikumsinteresse, sondern für international koordinierte Artenschutzarbeit, die wissenschaftlich kontrolliert wird. Dies macht man auch bei kleinen Ausgangspopulation Sinn. Es gibt erfolgreiche Beispiele dafür – so z.B. bei Wisenten, Przewalskipferden, Rosataube oder Mauritiusfalke.
Hätte man Katze und Kater nicht trennen können, um Fortpflanzung zu verhindern?
- Nein, nicht dauerhaft, da Löwen im Rudel leben. Der Kater ist wichtig für die Erziehung der älteren Jungtiere und das Sozialgefüge.
- Schlussendlich war es die Entscheidung des Individuums Gina diesen Wurf nicht anzunehmen!
Warum erfolgte keine Handaufzucht?
- Zoos haben den Anspruch, Tiere so natürlich und verhaltensgerecht wie möglich zu halten/aufzuziehen. Eine Handaufzucht kann zu Fehlprägungen führen. Es ist aber wichtig, dass die gehaltenen Asiatischen Löwen des Erhaltungszuchtprogramms sich wie „normale“ Löwen verhalten. Fehlgeprägte Tiere sind später in keine Löwengruppe zu integrieren und werden sehr wahrscheinlich auch nicht züchten. Daher gibt es eine klare Vorgabe des Erhaltungszuchtprogramms für Asiatische Löwen keine Handaufzucht vorzunehmen.
- Wir selbst hatten vor unserem Kater Navin einen anderen Löwenmann, Tejas, der handaufgezogen war und nie mit Gina gezüchtet hat.
Warum haben Sie die Jungtiere nicht an andere Zoos gegeben?
- Die Tiere sind ohne biologische Mutter nicht überlebensfähig, ein Ammenprinzip hier nicht möglich. Auch andere Zoos praktizieren keine Handaufzucht bei dieser Art.
Kritik an der Tötung der Löwenjungen: Ein Kommentar von Bianka Specker
Die Einschläferung der Löwenjungen im Kölner Zoo mag den Vorgaben des Erhaltungszuchtprogramms entsprechen, offenbart jedoch wohl Mängel in der Prävention, der Suche nach Alternativen und der Kommunikation.
Eine intensivere Auseinandersetzung mit kurzfristigen Trennungsmaßnahmen, modernen Aufzuchttechniken oder der Zusammenarbeit mit anderen Einrichtungen hätte möglicherweise andere Wege eröffnet.
Die Trennung von Löwenmutter Gina und ihren drei älteren Jungtieren hätte vermieden werden müssen, da sie erheblichen Stress für Mutter und Nachwuchs verursacht haben dürfte. Wie sollte Gina unter diesen Umständen die Neugeborenen annehmen können? Hier wären Unterstützung und Stabilisierung für alle Beteiligten notwendig gewesen.
Die hohe Sterblichkeit von Löwenjungen in der Wildnis (50–80 %) wird als Argument angeführt, doch Zoos verfügen über bessere Ressourcen und Kontrollmöglichkeiten. Die pauschale Übertragung natürlicher Prozesse auf die Zoo-Umgebung dient eher als Rechtfertigung, anstatt das Potenzial moderner Tierpflege auszuschöpfen.
Der Zoo erklärt, dass Gina erneut tragend war, weil sie genetisch wichtig ist und Verhütungsmittel gesundheitliche Risiken bergen. Dies wirft Fragen zur Verantwortung des Zoos auf. Es war bekannt, dass Gina noch nicht unabhängige Jungtiere aus dem Vorjahr versorgte. Eine vorübergehende Trennung von Kater Navin hätte erwogen werden sollen, um eine erneute Trächtigkeit zu verhindern.
Der Zoo argumentiert, dass eine dauerhafte Trennung nicht möglich sei, da Löwen im Rudel leben. Doch eine kurzfristige Trennung, bis die älteren Jungtiere selbstständiger wären, hätte die Belastung für Gina reduziert und die Überlebenschancen eines neuen Wurfs erhöht. Diese Option wird nicht erwähnt, was auf eine mangelnde Präventivstrategie hindeutet.
Zudem bleibt unklar, ob andere Zoos oder spezialisierte Einrichtungen die Jungtiere hätten übernehmen können, die eventuell andere Ansätze zur Aufzucht verfolgen.
Die ethischen Bedenken der Öffentlichkeit unterstreichen die Notwendigkeit einer transparenteren und proaktiveren Kommunikation, um solche Entscheidungen nachvollziehbarer zu machen.
Der Zoo sollte seine Zuchtstrategie dringend überdenken, um zukünftige Konflikte zwischen Mutterinstinkt, Zuchtzielen und Tierwohl besser auszubalancieren.
Der Kölner Zoo riskiert, die Akzeptanz in der Öffentlichkeit zu verlieren.