
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat am 20. August 2025 die Revisionen des AfD-Politikers Björn Höcke gegen zwei Urteile des Landgerichts Halle vom 14. Mai 2024 (5 KLs 6/23) und vom 1. Juli 2024 (5 KLs 8/24) verworfen (Az. 3 StR 519/24 und 3 StR 484/24).
Höcke, seit 2014 Vorsitzender der AfD-Fraktion im Thüringer Landtag und ehemaliger Geschichtslehrer, wurde in beiden Fällen wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (§ 86a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1 StGB) zu Geldstrafen verurteilt.
Die Urteile sind rechtskräftig.
Erster Vorfall: Wahlveranstaltung in Merseburg
Am 29. Mai 2021 verwendete Höcke als Redner auf einer öffentlichen Wahlveranstaltung in Merseburg die Parole „Alles für Deutschland“. Nach Feststellungen des Landgerichts wusste er, dass diese Parole der Sturmabteilung (SA) der NSDAP zuzuordnen ist und deren öffentliche Verwendung verboten ist.
Die Veranstaltung mit etwa 250 Teilnehmern, darunter Demonstranten, wurde gefilmt, und Höcke akzeptierte die Verbreitung des Videos im Internet. Das Landgericht Halle verurteilte ihn hierfür zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu je 130 Euro.
Zweiter Vorfall: AfD-Stammtisch in Gera
Nachdem wegen des ersten Vorfalls Anklage erhoben und das Hauptverfahren eröffnet worden war, nutzte Höcke am 12. Dezember 2023 erneut bewusst die Parole „Alles für Deutschland“ als Redner auf einem AfD-Stammtisch in einer Gaststätte in Gera.
Dabei sprach er die Worte „Alles für“ selbst und forderte die Anwesenden durch Armbewegungen auf, die Parole mit „Deutschland“ zu vervollständigen. Mehrere Personen folgten seiner Aufforderung, wie von ihm beabsichtigt. Das Landgericht Halle verurteilte ihn auch für diesen Vorfall zu einer Geldstrafe.
Historischer Kontext der Parole
Die SA, eine paramilitärische Kampforganisation der NSDAP, die bis 1934 auf rund vier Millionen Mitglieder anwuchs, hatte die Parole „Alles für Deutschland“ öffentlich und allgemein bekannt zu eigen gemacht. Sie war unter anderem in die Klingen von Dolchen eingraviert, die zur SA-Uniform gehörten.
Der BGH bestätigte, dass die Parole ein Kennzeichen der SA ist, unabhängig von ihrer anderweitigen Nutzung oder ihrem Bekanntheitsgrad.
Verfahrensrüge und Indemnität
Der für Staatsschutzstrafsachen zuständige 3. Strafsenat des BGH wies Höckes Verfahrensrügen zurück. Weder Immunität (§ 152a StPO, Art. 55 Abs. 2 ThürVerf) noch Indemnität (Art. 55 Abs. 1 ThürVerf) lagen vor, da die Äußerungen im Kontext des Bundestagswahlkampfs und eines AfD-Stammtischs keinen Bezug zur Parlamentsarbeit hatten.
Die sachliche Zuständigkeit des Landgerichts wurde bestätigt, da die Prominenz des Angeklagten und das Medieninteresse die „besondere Bedeutung“ der Fälle (§ 24 Abs. 1 Nr. 3 GVG) begründeten.
Materiellrechtliche Prüfung
Die Überprüfung der Urteile ergab keine Rechtsfehler zu Höckes Nachteil. Das Landgericht belegte tragfähig, dass die SA die Parole zu eigen gemacht hatte und Höcke dies wusste. Nach etablierter BGH-Rechtsprechung ist für die Einordnung als Kennzeichen nicht entscheidend, ob ein Symbol einen gewissen Bekanntheitsgrad hat oder in anderem Kontext genutzt wird.
Ausnahmen wie Kunst oder Aufklärung (§ 86a Abs. 3, § 86 Abs. 4 StGB) griffen nicht, da Höcke die Parole bewusst ohne kritische Distanzierung verwendete. Die strafrechtliche Ahndung, die sich auf die Verwendung des Kennzeichens und nicht auf den Inhalt der Äußerung bezieht, stellt eine zulässige Einschränkung der Meinungsfreiheit dar.
Der BGH betonte, dass § 86a StGB die Wiederbelebung verfassungsfeindlicher Bestrebungen verhindern soll und das öffentliche Interesse an der Abwehr nationalsozialistischer Propaganda die Meinungsfreiheit überwiegt.
Kosten und Rechtskraft
Höcke trägt die Kosten der Rechtsmittel. Beide Urteile sind rechtskräftig und unter den Aktenzeichen 3 StR 519/24 und 3 StR 484/24 abrufbar.
Az. 3 StR 519/24 und 3 StR 484/24, als PDF https://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.pdf
Vorinstanzen
- Landgericht Halle, Urteil vom 14. Mai 2024 (5 KLs 6/23)
- Landgericht Halle, Urteil vom 1. Juli 2024 (5 KLs 8/24)
Bildquellen
- Gericht Justitia: Edward Lich