
Für den heutigen Tag wurden in den Niederlanden erneut großangelegte Blockaden und Aktionen durch die Landwirte angekündigt. Sie finden laut Organisationen wie „Agractie“ und „Farmers Defence Force“ an nicht organisierten und nicht veröffentlichen Stellen statt um staatliche Gegenmaßnahmen zu vermeiden. Über verschiedene Telegrammkanäle wurden sie bereits am Wochenende regional angekündigt.
Ruttes Pressekonferenz: Ziele und das Tempo der Stickstoffpolitik (Agenda) werden nicht geändert
Ein Grund für die Proteste ist, dass der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte in einer Pressekonferenz am 1. Juli klarstellte, dass an der neuen Umwelt Agenda festgehalten wird, die Bauern teils dazu zwingen wird, ihre Betriebe aufzugeben. Rutte erklärte, es würden Gesprächsleiter eingesetzt, ohne jegliches Mandat, um den Landwirten die Lage besser zu erklären und Akzeptanz für die Agenda zu erhalten. Es würden auch noch Gespräche mit den Fischern, der Luftfahrt und der Schiffahrt (Mobilität) stattfinden. Bei den Fischern, die nach dem Brexit schon gebeutelt seien, hätte man sich im Parlament auf Überbrückungshilfen bei der Umstellung geeinigt. Deshalb ging Rutte in dem Bereich von einer größeren Bereitschaft zur Transformation aus.
Bei den Landwirten werde es, so sagte Rutte deutlich, keine Abweichung von den Plänen geben: es werden an den Zielen festgehalten, genau wie auch an der angestrebten Geschwindigkeit der Umsetzung.
Es sei so, dass nicht alle Bauern an ihrem Platz bleiben könnten, nicht in dem Umfang.
Die Aussage Ruttes auf der Pressekonferenz am 1. Juli, dass Ziele und Tempo beibehalten werden und auch keine Minister Gespräche mit den Bauern führen werden, sondern lediglich Gesprächsleiter ohne jegliches Mandat, um für ein bessere Verständnis und Akzeptanz zu werden, brachte die Bauern schließlich auf die Barrikaden. Angesichts der Schließung von Landwirtschaftsbetrieben, der Aufgabe von Viehzuchtbetrieben und dem damit verbundenen Verlust der beruflichen Existenz und Lebensmittelpunkt entschlossen sich viele Bauern zum Protest.
Bauernproteste
Die Bauern waren heute morgen schon sehr früh unterwegs. In Telegramgruppen wie Convoy NL Groningen oder Convey NL war am gestrigen Abend schon die Rede davon, schon jetzt vorbereitet zu sein und Essen und Trinken mitzunehmen.
Es sollen früh schon die Traktoren auf der A7 und der N34 gesichtet worden sein. Die Fischer beteiligen sich an den Protesten und haben früh den Hafen von Lauwersoog mit Fischschiffen blockiert.
Perspektiven für landwirtschaftliche Unternehmer in den Niederlanden
Wie die niederländische Regierung mitteilt, müssen die niederländische Industrie, das Baugewerbe, die Mobilität und die Landwirtschaft zur Wiederherstellung der Natur beitragen, zum Schutz der Umwelt und des Klimas. Unter anderem deshalb müssen Landwirte und Gärtner anders arbeiten und auf eine Kreislaufwirtschaft umstellen.
„Dies wird große Anstrengungen erfordern, auch von Seiten der Lieferanten und Kunden. Die Regierung unterstützt landwirtschaftliche Unternehmer mit Vorschriften und Finanzhilfen“, teilt die Regierung mit.
Übergang zur Kreislaufwirtschaft und „Sektorpläne“
Wie der Übergang zur Kreislaufwirtschaft in der Praxis aussieht, hängt von verschiedenen Faktoren ab, vor allem an den Zielen pro Gebietsbereich.
Die niederländische Regierung legt für jedes Gebiet in den Niederlanden Umweltziele fest. Zum Beispiel Ziele für die Verringerung der Stickstoffemissionen. Oder Ziele zur Verbesserung Qualität des Wassers. Die natürlichen Gegebenheiten des Gebietes, in dem sich der Betrieb befindet, bestimmen somit weitgehend die zukünftigen Möglichkeiten des Betriebes.
Gefährdete Gebiete
In bestimmten Gebieten sei die Natur so überlastet, dass nicht alle Landwirte ihren Betrieb weiterführen könnten. Der Bewirtschaftung dieser Gebiete müsse mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden.
Für die Lebensmittelerzeugung geeignete Flächen
Andere Gebiete sind laut den Festlegungen der Regierung sehr gut für die Nahrungsmittelproduktion geeignet. Dort habe die Landwirtschaft Vorrang vor Solarparks, Vertriebszentren oder Rechenzentren. In diesen Gebieten gebe es Raum für nachhaltige Formen der Viehzucht, des Ackerbaus, des Gemüseanbaus im Freien und des Gartenbaus. Auch hier ist die Transformation der Arbeit von Landwirten und Gärtnern für den Übergang zur Kreislaufwirtschaft vorgesehen. Eine Verlagerung bes Betriebsstandortes gehe immer mit Veränderungen einher: Innovation, Extensivierung oder Umstellung. Auf diese Weise brächte die Umsiedlung einen ausreichenden Nutzen für Natur und Umwelt und das Unternehmen habe eine Zukunft.
Die niederländischen Provinzen, (in Deutschland wären es die Bundesländer) erstellen für jedes Gebiet Pläne, mit dene die Umweltziele erreicht werden sollen. Sie tun dies gemeinsam mit Anwohnern, Unternehmern und anderen Parteien. Dies wird als „gebietsspezifischer Ansatz“ bezeichnet.
In den Provinzplänen müssen auch die Bereiche Industrie, Bauwesen und Mobilität (Verkehr) ihren Beitrag leisten.
Regierung unterstützt Landwirte
Unternehmer, die ihr Unternehmen zukunftssicher machen wollen, können Hilfe von der Regierung erhalten. Für Unternehmen, die z. B. in emissionsarme Ställe und Gülleverarbeitung investieren, gibt es Zuschüsse. Oder für die persönliche Beratung von Landwirten, die auf eine Kreislaufwirtschaft umstellen wollen.
Die Verzweiflung und die großen Emotionen in der derzeitigen Situation sind teilweise auf das Memorandum des Ministeriums Van der Wal-Zeggelink zurückzuführen.
Die niederländische „Agenda Natuurinclusief“
Die Agenda Natur inklusiv 1.0 wurde vom Konsortium Agenda Natur inklusiv ausgearbeitet: das Ministerium für LNV (Ministerium für Landwirtschaft, Naturmanagement und Fischerei), die Interprovinzielle Konsultation (IPO), Staatsbosbeheer, Natuurmonumenten und LandschappenNL zusammen mit Vertretern vieler gesellschaftlicher Parteien: Behörden, Unternehmen, Wissenseinrichtungen, Branchenorganisationen und soziale Organisationen an dem Strategiepapier zur Transformation vieler Bereichen des Lebens. Ziel ist die Klimaneutralität der Niederlande bis 2050.
Auch Teil der Agenda wird der Bereich der Freizeitgestaltung sein.
Die Agenda ist ein dynamisches und wachsendes Instrument, es handelt sich um eine Wandlung hin zu einer klimaneutralen Gesellschaft. Regelmäßige Ergänzungen, Anpassungen und Neubewertungen seien notwendig und würden in aufeinanderfolgenden Ausgaben der Tagesordnung vorgenommen. Ein Zeitplan sieht deshalb auch eine Agenda 2.0, 3.0 vor, damit peu a peu die Ziele zur Klimaneutralität erreicht werden können.
Ein zentrales Programmbüro fungiert als Impulsgeber und Koordinator und behält den Überblick über die in der Agenda enthaltenen Aktionen. Die Agenda im Wortlaut als pdf gibt es hier:
https://agendanatuurinclusief.nl/wp-content/uploads/Agenda-Natuurinclusief-1.0.pdf
Bildquellen
- Landwirte: trueckauer