Denn sie wissen nicht, was sie tun

Ein Kommentar von Bianka Specker

Der Osnabrücker Rat steht vor der Entscheidung den Bebauungsplan 600, der das Bauvorhaben am Neumarkt bezüglich des Einkaufscenters regelt, aufzuheben. Völlig unerwartet teilte der Hauptgesellschafter Unibail-Rodamco-Westfield erst telefonisch, später mit einer Pressemitteilung am 14.06.2019 mit, dass das Einkaufszentrum nicht gebaut wird.

Was beachtet werden muss

Die Flächen gehören nicht der Stadt, sondern der Neumarkt 14 Projekt GmbH & Co. KG.

2014 beschloss eine bunte Ratsmehrheit den B-Plan 600 und den zugehörigen Durchführungvertrag mit der Neumarkt 14 Projektgesellschaft (und den Nachbar-B-Plan Nr. 525, in dem wegen der abgeschnittenen Seminarstraße auf einem Privatgrundstück ein Wendehammer festgesetzt wurde.).

Für das Einkaufszentrum selber wurde 2018 nach Abschluss eines Normenkontrollverfahrens fristgerecht der Bauantrag von der Neumarkt 14 Projekt GmbH & Co. KG. eingereicht.

Der Bauantrag wurde nicht zurückgezogen.

In einem persönlichen Gespräch mit dem Oberbürgermeister Griesert erkläre der CEO von Unibail-Rodamco-Westfield Germany, Herr Hohlmann, dass derzeit noch nicht entschieden sei, ob der Antrag vervollständigt oder zurückgezogen werde. Derzeit sichere der B-Plan 600 das Baurecht. Es werde aber eine gemischt genutzte Immobilienentwicklung angestrebt, die einen neuen B-Plan erfordere.

Entschieden sei jedoch nicht, ob und wann gegebenenfalls die Grundstücke zu diesem Zweck oder ohne Zweckbindung verkauft würden. Eine schriftliche Erklärung der Bauantragstellerin, der Neumarkt 14 Projekt GmbH & Co. KG liegt noch nicht vor.

Die Rücknahme des Bebauungsplans 600

Der Sachverhalt wie ihn die Verwaltung sieht:

Nachdem die Unibail-Rodamco-Westfield Germany GmbH als Hauptanteilseignerin der Neumarkt 14 Projekt GmbH & Co. KG, die als Vorhabenträgerin zur Errichtung eines Einkaufszentrums am Neumarkt fungiert, öffentlich bekannt gegeben hat, dass von der Realisierung eines Einkaufszentrums am Neumarkt Abstand genommen wurde, ist davon auszugehen, dass der vorhabenbezogene Bebauungsplan Nr. 600 – Einkaufzentrum Neumarkt – keine Umsetzung mehr findet. 

Nach § 12 Absatz 6 Baugesetzbuch (BauGB) soll die Gemeinde einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan wieder aufheben, wenn die Vorhabenträgerin das Vorhaben nicht innerhalb der im Durchführungsvertrag vereinbarten Frist realisiert. Von einer vertrags- und fristgerechten Realisierung des Vorhabens kann aufgrund der öffentlichen Willenserklärung der Vorhabenträgerin aktuell nicht mehr ausgegangen werden.

Aus der Aufhebung des vorhabenbezogenen Bebauungsplans Nr. 600 – Einkaufszentrum Neumarkt – können Ansprüche der Vorhabenträgerin gegen die Gemeinde nicht geltend gemacht werden, sofern die Aufhebung auf einem Fristversäumnis der Vorhabenträgerin beruht.

Quelle: https://ris.osnabrueck.de/bi/vo020.asp?VOLFDNR=1013267

Fragen zu dem Sachverhalt

Vorhabenträgerin ist unstrittig die Neumarkt 14 GmbH und Co. KG. Aus einem aktuellen Handelsregisterauszug ergibt sich folgendes Bild:

Neumarkt 14 Projekt Verwaltungs GmbH

Kommanditisten der Neumarkt 14 Projekt Verwaltungs GmbH sind

  • Dr. Bergmann, Theodor, Osnabrück, Einlage: 50.050,00 EUR,
  • Unibail-Rodamco Beteiligungs GmbH, Düsseldorf HRB 75817, Einlage: 266.600,00 EUR
  • AS Holding GmbH, Essen (Amtsgericht Essen HRB 23550) mit einer Einlage von 17.017,00 EUR.

Diese Neumarkt 14 GmbH hat den Bauantrag fristgerecht eingereicht und ihn bisher nicht zurückgezogen. Lediglich der Kommandist mit dem größten Kapitalanteil, die Unibail-Rodamco Beteiligungs GmbH hat schriftlich erklärt, das Einkaufscenter nicht mehr verwirklichen zu wollen.

Was ist mit den Rechten der anderen Kommanditisten? Der Kommanditist ist im Innenverhältnis an dem Gewinn und dem Verlust der Gesellschaft beteiligt. Daher wirkt sich wirtschaftlich die Inanspruchnahme des Gesellschaftsvermögens durch Dritte auch auf den Kommanditisten aus.

Im Sachverhalt der Verwaltung steht :

Von einer vertrags- und fristgerechten Realisierung des Vorhabens kann aufgrund der öffentlichen Willenserklärung der Vorhabenträgerin aktuell nicht mehr ausgegangen werden.

Das ist so wohl nicht richtig, denn die Neumarkt 14 GmbH hat eine solche Willenserklärung öffentlich bislang nicht abgeben?

Unserer Redaktion ist eine solche Willenserklärung bis dato nicht bekannt.

Abgesehen von den bisherigen Fragen- was soll der Sinn der Aufhebung des Bebauungsplans 600 sein?

Ein Signal zum Aufbruch, man wolle keine Zeit verstreichen lassen- wirklich? Ist es sinnig, einem Kommanditisten Dr. Bergmann vor den Kopf zu stoßen, wenn man mit dem Baulos 2 vor H&M welches an Dr. Bergmann vergeben wurde auch dort mit ihm zusammenarbeiten muss?

Ist es sinnig, Gefahr zu laufen sich schadensersatzpflichtig zu machen und jahrelange Klagewege zu riskieren?

Oder wäre es nicht einfacher und in der Zeit überschaubarer, den Bauantrag zu genehmigen und notfalls die 3 Jahresfrist abzuwarten?

In der Neumarkt 14 GmbH selbst ist auch Bewegung, denn laut dem Handelsregisterauszug ist Herr Niels-Christian Otzen seit dem 13.08.2019 nicht mehr Geschäftsführer.

Eine übereilte Entscheidung den Bauplan aufzuheben kann für den Neumarkt einen weiteren jahrelangen Stillstand bedeuten und birgt ein hohes Risiko für den Haushalt der Stadt. Die nächsten Schritte sollten vom Rat der Stadt wohl überlegt sein.

Die Unibail-Rodamco Beteiligungs GmbH hat zu dem Beschluss des Stadt und Entwicklungsausschusses zur Aufhebung des Bebauungsplanes bislang keine Stellungnahme abgegeben.

Der Gesetzestext, auf den die Rücknahme basieren soll hier im Anhang:

§ 12 BauGB
Vorhaben- und Erschließungsplan

(1) 1Die Gemeinde kann durch einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan die Zulässigkeit von Vorhaben bestimmen, wenn der Vorhabenträger auf der Grundlage eines mit der Gemeinde abgestimmten Plans zur Durchführung der Vorhaben und der Erschließungsmaßnahmen (Vorhaben- und Erschließungsplan) bereit und in der Lage ist und sich zur Durchführung innerhalb einer bestimmten Frist und zur Tragung der Planungs- und Erschließungskosten ganz oder teilweise vor dem Beschluss nach § 10 Abs. 1 verpflichtet (Durchführungsvertrag). 2Die Begründung des Planentwurfs hat die nach § 2a erforderlichen Angaben zu enthalten. 3Für die grenzüberschreitende Beteiligung ist eine Übersetzung der Angaben vorzulegen, soweit dies nach den Vorschriften des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung notwendig ist. 4Für den vorhabenbezogenen Bebauungsplan nach Satz 1 gelten ergänzend die Absätze 2 bis 6.

6) 1Wird der Vorhaben- und Erschließungsplan nicht innerhalb der Frist nach Absatz 1 durchgeführt, soll die Gemeinde den Bebauungsplan aufheben. 2Aus der Aufhebung können Ansprüche des Vorhabenträgers gegen die Gemeinde nicht geltend gemacht werden.3Bei der Aufhebung kann das vereinfachte Verfahren nach § 13 angewendet werden.

Bildquellen

  • Osnabrücker Rad: Bianka Specker