Die Lufthansa-Beteiligung könnte eine Verstaatlichungsorgie auslösen

Der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Michael Theurer schrieb für „Handelsblatt Online“ den folgenden Gastbeitrag:

Für die Lufthansa heißt es jetzt: Zurück in die 1950iger-Jahre. Die Gesellschaft mit dem Kranich im Logo war damals ein Staatsunternehmen und blieb es anteilig bis in die 1990er-Jahre. Der neuerliche Einstieg des Bundes im Zuge der Folgen der Coronakrise mag notwendig erscheinen, das nun unterbreitete Angebot einer direkten Beteiligung muss allerdings die Alarmglocken schrillen lassen.

Offenbar geht es der Bundesregierung weniger um die Rettung der für eine Industrie- und Exportnation strategisch wichtigen Airline und ihrer Arbeitsplätze, sondern um direkten staatlichen Einfluss auf das Unternehmen.

Da hilft es auch nichts, dass die Sperrminorität nicht direkt erreicht wird, sondern nur über eine Wandelanleihe als Damoklesschwert über der Lufthansa hängen bleiben soll. Es bleibt abzuwarten, ob die Hauptversammlung der Lufthansa einem solchen Paket überhaupt zustimmt.

Denn es gibt 1001 Gründe, warum eine aktive Rolle des Staates in Unternehmen in aller Regel keine gute Idee ist. Wenn der Staat die Wirtschaft nicht ordnet, sondern lenkt, führt dies in aller Regel zu miserablen Ergebnissen – weniger Innovation, weniger Wettbewerb, weniger Service, weniger Arbeitsplätze, dafür aber höhere Preise.

Die Ursachen sind vielfältig. Das fängt an mit Fehlanreizen, die eine Staatsbeteiligung auf die Politik hat. Man denke an das regierungsamtlich unterstützte Festhalten am Kupferkabel durch die staatsbeteiligte Telekom, die aktuell in der Corona-Krise dazu führt, dass viele Menschen zu langsames Internet haben.

Regierungen verhalten sich bei Unternehmen, die ganz oder teilweise dem Staat gehören, eben nicht immer sachlich-neutral. Frankreichs Einstieg bei der Air France ist vor diesem Hintergrund besonders pikant, weil als Bedingung die Inlandsflüge abgeschafft und damit ein Konkurrent für die staatliche Bahn beseitigt werden soll.

Gleiches könnte der Lufthansa blühen. Es geht weiter bei fehlendem unternehmerischen Denken im Staat, der fehlenden Einheit von Handeln und Haften und der traditionell schwindenden Dynamik und überbordenden Bürokratie, sobald der Staat an Bord ist. Mit den Worten von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier: Der Staat ist ein lausiger Unternehmer.

Die vereinigte politische Linke sieht das seit jeher anders, egal ob Linkspartei, Grüne oder SPD. Politiker, die selbst noch nie unternehmerisch tätig waren, halten Politiker für die besseren Unternehmer.

Das Unfugspotential ist enorm.

Wenn der Staat helfe, so der moralische Zeigefinger, müsse der Staat auch direkte, aktive Mitsprache bekommen. Die Bundesregierung von Kanzlerin Merkel schließt sich nun dieser Argumentation an – mit potentiell weitreichenden Folgen.

Im Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) sind bis zu 100 Milliarden Euro für Staatsbeteiligungen vorgesehen. Das Unfugspotential ist enorm. Die Lufthansa könnte der Startschuss für eine regelrechte Verstaatlichungsorgie sein. An deren Ende könnte der WSF eine Art Treuhand 2.0 werden, die dieses Mal den gesamten Standort Deutschland abwickelt.

Die inhärenten Probleme kann man nicht beseitigen, man muss sie aber zumindest abmildern. Dazu müsste sich vor allem die Bundesregierung selbst mäßigen. Klare ordnungspolitische Leitplanken sind das Gebot der Stunde, die Bundesregierung sollte sie dem Bundestag vorlegen.

Die Ausübung von Stimmrechten müsste die definitive rote Linie sein. Darüber hinaus müssen zentrale Fragen geklärt werden:

  • Gibt es eine Exit-Strategie des Wirtschaftsministers, oder steht uns bei der Lufthansa und jedem weiteren Staatseinstieg eine unendliche Geschichte bevor, wie schon bei der Commerzbank?
  • Können die bisherigen Eigentümer ihre Anteile zurückerhalten, und wenn ja, zu welchem Preis?
  • Sicherlich nicht im Interesse des Steuerzahlers und der Allgemeinheit ist es, Unternehmen am Leben zu erhalten, die schon vor Corona marode waren – wie wird dies ausgeschlossen?
  • Und schließlich stellt sich die Frage: für wie viele Unternehmen reicht die Hilfe des Staates? Und für wen nicht?

Auswirkungen auf den Wettbewerb sind geradezu zwangsläufig. Wer in Konkurrenz mit Unternehmen mit weniger als 250 Mitarbeitern steht, für den ist der Zugang zum WSF schon per se ein Wettbewerbsvorteil.

Wenn am Ende börsennotierte Aktiengesellschaften und große Konzerne gerettet werden, deren kleine und mittlere Wettbewerber aber vom Markt verschwinden, kann das nicht im öffentlichen Interesse liegen. Möglicherweise bekommen staatsbeteiligte Unternehmen auch eine bessere Bonität, weil es die Vermutung gibt, dass sie notfalls erneut gerettet werden.

Um Wettbewerbsverzerrungen zu verringern und Transparenz herzustellen, sollten zukünftig Bundeskartellamt und Monopolkommission bei WSF-Entscheidungen einbezogen werden. Die Protokolle zu den Entscheidungen sollten öffentlich gemacht werden, die Zentralbanken verfahren bei ihren Zinsentscheidungen schon lange so.

Vor allem aber muss jetzt der Aufschrei von allen kommen, die zumindest noch einen Rest an ordnungspolitischem Gewissen haben, egal ob Wirtschaftsweise, FDP, Mittelstandsunion oder Wirtschaftsrat. Die Interventionsketten müssen durchbrochen werden, bevor es zu spät ist.

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