Videokonferenz der Führungsspitzen der EU und Chinas: „Die Werte und Interessen der EU auf höchster Ebene wahren“

Gemeinsame Presseerklärung von ER-Präsident Michel, Kommissionspräsidentin von der Leyen und Bundeskanzlerin Merkel

Die Führungsspitzen der EU und Chinas haben am 14. September 2020 eine Videokonferenz abgehalten. Ursprünglich war für dieses Datum ein EU-China-Gipfel auf höchster Ebene unter Beteiligung aller EU-Mitgliedstaaten geplant. Der Präsident des Europäischen Rates Charles Michel, die Präsidentin der Europäischen Kommission Ursula von der Leyen und Bundeskanzlerin Angela Merkel für die deutsche Ratspräsidentschaft haben sich im Rahmen einer Videokonferenz mit dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping besprochen.

Die Begegnung bot die Gelegenheit, die auf dem 22. EU-China-Gipfel (22. Juni) geführten Gespräche fortzusetzen. Die Konferenz war wichtig, um die Dynamik des hochrangigen Austausches zwischen der EU und China aufrecht zu erhalten und so konkrete Ergebnisse in Übereinstimmung mit den Interessen und Werten der EU zu erzielen.

Auf der umfangreichen Tagesordnung des Gesprächs standen Handel und Investitionen, Klimawandel und biologische Vielfalt, die Bewältigung der COVID-19-Pandemie sowie internationale Angelegenheiten und andere Themen.

Im Hinblick auf die Verhandlungen über ein umfassendes Investitionsabkommen zwischen der EU und China (CAI) verbuchten beide Seiten zwar Fortschritte bei den Verhaltensregeln für Staatsunternehmen, in Bezug auf den erzwungenen Technologietransfer und die Transparenz von Subventionen, aber die EU betonte, dass jetzt noch dringend an den Problemen des gleichen Marktzugangs und der nachhaltigen Entwicklung weitergearbeitet werden müsse. Die EU forderte China auf, noch ehrgeiziger an diesen Themen mitzuwirken. Beide Seiten bekräftigten ihr Ziel, die noch bestehenden Defizite bis Ende des Jahres auszuräumen. Die EU unterstrich, dass hochrangiges politisches Engagement innerhalb des chinesischen Systems erforderlich sei, um zu einem substanziellen Abkommen zu gelangen.

In Bezug auf andere Handels- und Wirtschaftsfragen bekräftigte die EU ihren Appell an China, sich an zukünftigen Verhandlungen über Industriesubventionen im Rahmen der WTO zu beteiligen. Die EU unterstrich, dass angesichts des Bekenntnisses Chinas sich zu öffnen und zu gewährleisten, dass EU Erzeuger auf dem chinesischen Markt fair behandelt werden, mehr getan werden müsse, um den Marktzugang im Agrar- und Lebensmittelhandel, bei den Finanzdienstleistungen und im Digitalsektor zu verbessern. Ferner machte die EU erneut ihre Bedenken in Bezug auf Überkapazitäten sowohl in traditionellen Sektoren wie Stahl und Aluminium als auch im High-Tech-Bereich geltend.

Beide Seiten begrüßten die Unterzeichnung des Abkommens zwischen der EU und China über geografische Herkunftsangaben, wodurch sich der Zugang insbesondere von qualitativ hochwertigen EU-Agrarprodukten zum chinesischen Markt verbessern wird.

Die EU unterstrich die Notwendigkeit der Gegenseitigkeit und einheitlicher Wettbewerbsbedingungen im Bereich Wissenschaft und Technologie auf der Grundlage anspruchsvoller ethischer Maßstäbe und hoher Integritätsstandards. Die Führungsspitzen begrüßten den hochrangigen Digitaldialog und stimmten darin überein, diesen fortzusetzen. Sie sehen konkreten Fortschritten zu IKT-Normen, Produktsicherheit, dem Online-Vertrieb sowie Forschung und Innovation erwartungsvoll entgegen.

Im Bereich Klimaschutz und biologische Vielfalt ermunterte die EU China, seine Klimaschutzverpflichtungen in Bezug auf den Höchststand seines Kohlendioxidausstoßes und des innerstaatlich festgelegten Zieles der Klimaneutralität zu stärken. Die EU unterstrich ferner, wie wichtig ein innerchinesisches Moratorium für den Bau von Kohlekraftwerken und für die Finanzierung ihrer Errichtung im Ausland ist, mindestens im Rahmen einer globalen Initiative. Die EU ermunterte China ebenfalls, sein innerstaatliches Emissionshandelssystem bald in Kraft zu setzen. Beide Seiten vereinbarten, einen hochrangigen Umwelt- und Klimadialog einzurichten, um anspruchsvolle gemeinsame Verpflichtungen in diesem Bereich umzusetzen.

Die EU stellte fest, dass gemeinsame Verpflichtungen beider Seiten zur biologischen Vielfalt bahnbrechend in globalem Maßstab sein könnten und dass China als Gastgeber der Konferenz der Vertragsparteien im kommenden Jahr eine entscheidende Rolle zukommt. Eine ehrgeizige weltweite Übereinkunft wäre von großer Bedeutung.

Im Hinblick auf die Maßnahmen gegen COVID-19 betonte die EU die gemeinsame Verantwortung, sich an den weltumspannenden Bemühungen zu beteiligen, die Ausbreitung des Virus zu stoppen, die Forschung zu Behandlungsmethoden und Impfstoffen zu fördern und die Rolle der Weltgesundheitsorganisation auch durch eine vollständige Umsetzung der Resolution der Weltgesundheitsversammlung vom Mai 2020 zu stärken. Die EU unterstrich ferner, dass die Maßnahmen für den Wiederaufschwung den Übergang zu einer grüneren und nachhaltigeren Wirtschaft unterstützen sollten. Chinas uneingeschränktes Engagement im Rahmen der Bemühungen der G20 zur Unterstützung von einkommensschwachen Ländern und bei der wirksamen Umsetzung der Initiative der G20 und des Pariser Clubs zur Aussetzung des Schuldendienstes wird ebenfalls von grundlegender Bedeutung sein.

In Bezug auf Hongkong brachten die Führungsspitzen der EU ihre große Besorgnis über die Aushöhlung der Grundrechte und -freiheiten infolge der im Widerspruch zu internationalen chinesischen Zusagen stehenden Einführung des chinesischen Sicherheitsgesetzes in Hongkong am 30. Juni zum Ausdruck. Sie bekräftigten ferner die Besorgnis der EU bezüglich der Verschiebung der Wahlen zum Legislativrat und des Ausschlusses von Kandidaten.

Die EU bekräftigte ihre große Besorgnis über die Behandlung von ethnischen und religiösen Minderheiten und die Lage von Menschenrechtsaktivisten sowie über die Einschränkung der Meinungsfreiheit und des Zugangs zu Informationen. Beide Seiten kamen überein, dass der Menschenrechtsdialog noch in diesem Jahr als Präsenztreffen in China stattfinden wird.

Im Hinblick auf regionale und internationale Fragen verwies die EU auf die eskalierenden Spannungen im Südchinesischen Meer und rief mit Nachdruck zur Selbstbeschränkung sowie zur friedlichen Streitbeilegung im Einklang mit dem Völkerrecht auf. Die Führungsspitzen begrüßten den Beginn der innerafghanischen Verhandlungen in Doha. Sie bekräftigten zudem ihr Engagement für die Aufrechterhaltung des Gemeinsamen Umfassenden Aktionsplans (der Nuklearvereinbarung mit Iran).

Die EU brachte ferner ihre Bereitschaft zum Ausdruck, die Gespräche über die Strategische Agenda 2025 für die Zusammenarbeit zwischen der EU und China fortzuführen, die nur abgeschlossen werden können, wenn erhebliche Fortschritte in den Verhandlungen über das umfassende Investitionsabkommen erzielt worden sind.

Eine Konferenz der Führungsspitzen der EU und Chinas unter Teilnahme der Staats- und Regierungschefs der EU-Mitgliedstaaten und von Präsident Xi ist für 2021 vorgesehen.

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