Landgericht Osnabrück verhandelt erneut über Ansprüche im Zusammenhang mit den Gertrudenberger Höhlen

Osnabrück. Am kommenden Montag, dem 12. Oktober 2020, wird das Landgericht Osnabrück erneut über Ansprüche im Zusammenhang mit den sogenannten Gertrudenberger Höhlen verhandeln (Az. 4 O 79/19). 

Stadt nimmt als Grundstückseigentümerin die Bundesrepublik Deutschland in Anspruch

In dem Verfahren nimmt die Stadt Osnabrück als Grundstückseigentümerin die Bundesrepublik Deutschland in Anspruch. Das in dem Streitfall betroffene städtische Grundstück liegt im Bereich des Gertrudenberges, eines Hügels am Rande der Osnabrücker Innenstadt. Unter dem Hügel, auch dem Grundstück der Stadt, befindet sich ein im Mittelalter durch Kalksteinabbau entstandenes und später u.a. als Bierkeller genutztes Höhlensystem. Dieses diente im Zweiten Weltkrieg als Luftschutzbunker, der bis zu 4.000 Menschen Schutz bot. Nach dem Krieg wurden die Höhlen zunächst verschlossen. Spätestens ab den 1960er Jahren wurden die Höhlen durch die Bundesrepublik erneut geöffnet und Sicherungsmaßnahmen durchgeführt, auch mit Blick auf eine mögliche erneute Nutzung als Schutzraum im Notfall. 

Die klagende Stadt Osnabrück verlangt mit der nun zur Verhandlung anstehenden Klage von der Bundesrepublik Deutschland als Beklagter, alle gegenwärtigen oder künftigen Gefahren zu beseitigen, die von dem Höhlensystem für ihr Grundstück ausgehen können. Jedenfalls aber solle die Bundesrepublik die Luftschutzeinbauten aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs und eine Baustoffsuspension, die in den 1970er/1980er Jahren zur Stabilisierung eingebracht worden war, entfernen. Die Stadt trägt zur Begründung vor, dass von den Höhlen Gefahren ausgingen, sowohl bei deren Betreten etwa durch Steinschlag als auch möglicherweise – wenn auch nicht aktuell – durch Deckeneinbrüche zur Oberfläche. 

Die Einbauten durch das Deutsche Reich im Zweiten Weltkrieg, so die Stadt weiter, hätten die von den Höhlen ausgehenden Risiken verschärft, unter anderem weil dabei ältere Stützeinbauten entfernt worden seien. Bei Einbringen der Baustoffsuspension in den 1970er/1980er Jahren durch dies Bundesrepublik seien zahlreiche Löcher in die Höhlendecken gebohrt worden. Auch dies habe die Stabilität beeinträchtigt. Die Suspension bestehe zudem teilweise aus giftiger Asche. Sie enthalte unter anderem Arsen, das auch das Grundwasser gefährde, und müsse daher in jedem Fall entfernt werden. 

Die Bundesrepublik lehnt es ab, die von der Stadt begehrten Verpflichtungen zu übernehmen

Die Bundesrepublik lehnt es dagegen ab, die von der Stadt begehrten Verpflichtungen zu übernehmen. In weiten Teilen sei das Vorbringen der Stadt letztlich spekulativ. Aktuell gingen von den Höhlen jedenfalls keine Gefahren aus, solange man sie für Besucher geschlossen halte. Auch die eingebrachte Baustoffsuspension sei ungefährlich. Weiter trägt der Bund vor, die Stadt verhalte sich widersprüchlich. Sie habe sich seit Jahrzehnten stets an der Verwaltung der Anlage beteiligt. Konkret habe die Stadt etwa dem Einbringen der Baustoffsuspension in den 1970er/1980er Jahren zugestimmt. Letztlich habe auch die Stadt und nicht der Bund über die Nutzung als Schutzanlage entschieden. Eine Sicherung, wie die Stadt sie sich nun vorstelle, sei zudem mit dem von der Stadt selbst herbeigeführten Status als geschütztes Denkmal nicht vereinbar. 

Weiter beruft sich der Bund auf die Verjährung eventueller Ansprüche der Stadt. Das gelte sowohl für Ansprüche nach den Vorschriften über die Beseitigung von Kriegsfolgen als auch für allgemeine zivilrechtliche Ansprüche. Dazu trägt der Bund vor, alle nun behaupteten Gefahren seien der Stadt seit Langem bekannt. So habe sie zur Sicherheit der Höhlen und auch zum Inhalt der Baustoffsuspension ab den 1990er Jahren mehrere Gutachten eingeholt. Dabei habe sie selbst wiederholt eventuelle Gefahren zurückgewiesen. Die 2019 erhobene Klage komme daher zu spät. 

Verjährung?

Diesem Einwand der Verjährung hält die Stadt unter anderem entgegen, dass der Bund durch immer wieder durchgeführte Arbeiten an den Höhlen und den laufenden Dialog mit der Stadt daran gehindert sei, sich nun auf die Verjährung zu berufen. 

Die Verhandlung vor dem Einzelrichter beginnt am Montag, dem 12. Oktober 2020, um 15.00 Uhr in Saal 74 des Landgerichts (Altbau). Bei diesem Termin wird das Gericht die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten erörtern. Auch Möglichkeiten einer gütlichen Einigung werden zur Sprache kommen. Mit einer abschließenden Entscheidung ist in dem Termin nicht zu rechnen, sofern die Parteien keine Einigung erzielen. 

In einem weiteren ähnlich gelagerten Verfahren hatte das Landgericht Osnabrück die Klage des Grundstückseigentümers abgewiesen. Dieses Urteil entfaltet für das vorliegende Verfahren keine präjudizielle Wirkung. 

Zur Vermeidung von Infektionsrisiken und zur Wahrung des Mindestabstandes sind die Zuschauerplätze in Saal 74 des Landgerichts wie in allen Sälen beschränkt. Ein Teil der Plätze ist für Medienvertreter reserviert. Die Plätze werden über Platzkarten am Eingang vergeben. Alle Besucherinnen und Besucher sind verpflichtet, beim Betreten der Gerichte ihre persönlichen Daten zu hinterlassen, damit sie im Fall eines Infektionsverdachts erreicht werden können. Der Datenschutz ist dabei gewährleistet. Alle Besucherinnen und Besuchern sind zudem verpflichtet, im Gerichtsgebäude eine Mund-Nasen-Schutzmaske zu tragen. 

Bildquellen

  • Landgericht1: Bianka Specker